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Der Krieg der Trolle

Der Krieg der Trolle

Titel: Der Krieg der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Kopfschmerzen. Camila lauschte angestrengt, ohne ausmachen zu können, was die Rufe zu bedeuten hatten. Sieg? Niederlage?
    Der Käfig, in den man sie gesperrt hatte, stand am Rand des Heerlagers, umgeben von den Zelten der Krieger auf der einen Seite und einem behelfsmäßigen Verschlag mit Kühen und Ziegen darin auf der anderen.
    Obwohl sich die Soldaten nicht einmal die Mühe gemacht hatten, den Käfig von der Ladefläche des Karrens zu heben, mit dem er offenbar hertransportiert worden war, konnte Camila von ihrer Position aus das Lager nicht überblicken, aber sie hatte genug gesehen, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie groß die Armee war, die Ionnis gegen seinen Bruder ins Feld führte. Schwer gerüstete Soldaten aus dem Mardew, Berittene aus Zalsani, leicht gerüstete Fußsoldaten und Bauernmilizen, die schartige Klingen oder Stangenwaffen bei sich trugen und aussahen, als hätten sie eben erst ihre Felder verlassen. Es mussten viele Tausend sein, die der Bojar von Désa um sich gesammelt hatte.
    Nachdem man Camila aus dem Keller gezerrt und von den anderen Geistsehern getrennt hatte, war sie sich vorgekommen wie eine Beute, die achtlos von einem Ort zum nächsten geschleppt wurde. Sie waren einige Tage unterwegs gewesen, und sie hatte in dieser Zeit außer dem halben Dutzend Frauen und Männer, das sie begleitet hatte, niemanden gesehen. Alle waren ihr gegenüber äußerst einsilbig geblieben und hatten Gespräche zumeist außer Hörweite geführt. Ihre Eskorte waren keine Krieger, das war unschwer zu erkennen, aber was ihre Aufgabe in diesem Krieg war, konnte Camila nicht erraten.
    Als sie sich der Armee näherten, die am Ufer des Magy lagerte, hatte die Geistseherin damit gerechnet, bald verhört zu werden, und sich besorgt gefragt, ob ihr die Folter drohte, doch man hatte sie einfach in den Käfig gesteckt. Die Soldaten, die sich nun um sie kümmern mussten, wussten anscheinend nicht, wer sie war oder was mit ihr geschehen sollte. Sie redeten ebenso wenig mit Camila wie ihre Bewacher auf der Reise.
    Der Käfig hatte ihr Angst gemacht. Er war aus Eisen geschmiedet, und Camila kannte seine Art. Einst hatten die Masriden so ihre Todesurteile vollstreckt; die Gefangenen wurden in diesen Käfigen in den Wald verbracht und dort zurückgelassen. Durst, Hunger und die Lebewesen der Wildnis nahmen den Masriden die Arbeit ab. Natioles Vater war in einem solchen Käfig im Wald ausgesetzt worden, weil er der Anführer der wlachkischen Rebellen gewesen war. Das wusste heute jedes Kind im Land.
    Würde Ionnis, Sten cal Dabrâns Sohn, so etwas tun? Würde er eine Geistseherin auf dieselbe Art ermorden wie die Masriden einst ihre Feinde? Sie wünschte sich, sie hätte den Gedanken einfach abtun können, aber es wollte ihr nicht gelingen.
    Sie saß wie ein Tier im Käfig, ließ sich von den Vorbeikommenden ansehen, bespucken, beleidigen, ganz ihrer Willkür ausgeliefert. Zu stehen war in dem engen Käfig kaum möglich, und durch die Eisenstangen war auch das Sitzen unbequem.
    Ein großer Teil des Heeres war schon vor Stunden aufgebrochen, kurz nachdem man sie hier eingesperrt hatte, und jetzt kämpften und starben Wlachaken ganz in ihrer Nähe. Sie greifen Teremi an. Man braucht kein Seher zu sein, um das zu wissen. Ihr Geister, steht den Menschen in der Stadt bei. Steht Natiole bei, ich bitte euch.
    Im Herrlager schien sich kaum eine Menschenseele mehr zu befinden, und die Kühe blickten sie nur mit großen, dunklen Augen an, als sie sich trotz der Enge des Käfigs erhob und wütend an den eisernen Stäben rüttelte: »Bei den Geistern! Hört mich irgendjemand? Was geht hier vor?« Ihre Stimme klang rau und heiser. Der Klang erinnerte sie daran, wie durstig sie inzwischen war.
    Doch niemand beachtete sie. Sie konnte hören, wie irgendwo Befehle gerufen wurden, Pferde wieherten, ein raues Lachen erklang.
    Gerade, als sie sich wieder setzen wollte, kam ein Trupp Krieger zwischen den Zelten hindurch auf sie zu. Sie trugen alle schwere Rüstungen, festes Leder, mit Metallstreifen verstärkt. Ohne sie anzusprechen, öffneten sie den Käfig.
    Einen Augenblick lang überlegte Camila, ob sie wohl ihre Rufe gehört hatten, aber dann verwarf sie den Gedanken. »Wohin bringt ihr mich?«, fragte sie.
    Sie erhielt keine Antwort, sondern wurde grob gepackt und aus dem Käfig gezerrt. Als sie sich wieder gerade aufrichten konnte, dankten es ihre Knochen mit einem lauten Knacken, und ein stechender Schmerz schoss durch ihre

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