Der Krieg der Trolle
Danke«, rief Camila zu ihm zurück. » Was ist mit Natiole?«
» Ist auf dem Weg hierher. Er hat mich vorausgeschickt, während er versucht, die letzten Verteidiger von den Mauern zu bekommen.«
Noch bevor sie etwas antworten konnte, wurde sie vom Strom der Flüchtlinge, die ins Innere drängten, einfach mitgezogen. Die Soldaten brachten sie zum Ratssaal.
Die Tische und Bänke, die den Raum normalerweise beherrschten, waren an die Wände geräumt worden, um Platz für lange Reihen provisorischer Lager zu machen. Zwischen den Verletzten schritten einige Sonnenpriester einher, und Camila sah immer wieder helles Licht aufblitzen, wenn sie ihre Magie einsetzten, um besonders schwer Getroffene zu heilen.
Sie suchte Plätze für ihre Schützlinge, und nachdem sie sichergestellt hatte, dass jeder ein Lager gefunden hatte, ließ sie sich erschöpft in einer Ecke auf dem Boden nieder.
Camila hatte das Gefühl, als ob dieser Tag schon ewig dauern würde. Seit sie in Teremi angekommen war, hatte sie einen endlosen Strom von Verletzten und Sterbenden betreut. So viele waren an diesem Tag auf die Dunklen Pfade getreten, dass ihr Herz schmerzte, wenn sie nur daran dachte.
Der junge Sonnenpriester, der sie vom Torhaus bis hierher begleitet hatte, kam zu ihr und reichte ihr wortlos einen Krug mit verdünntem Wein.
Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, etwas zu essen oder zu trinken, und nun merkte sie, wie ihr Körper allmählich gegen diese Behandlung rebellierte. Schluckweise trank sie aus dem angebotenen Krug. Sie wollte sich bei dem Priester bedanken, da merkte sie, dass sie noch nicht einmal seinen Namen wusste. Es war schlichtweg keine Zeit gewesen, ihn danach zu fragen. Sie nickte ihm zu, und er erwiderte die Geste einfach.
Die Luft im Ratssaal war zum Schneiden dick. Der ganze Sommer war kühl gewesen, doch ausgerechnet an diesem Tag ging kein Wind. Schwer und schwül hing die Luft über der Stadt, und der überfüllte Raum tat ein Übriges, um ihr das Atmen zu erschweren.
Mit einiger Mühe kam sie wieder auf die Füße und lief aus dem Ratssaal in den Hof, der ebenfalls voller Menschen war. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen, aber die Geistseherin fürchtete, dass kaum jemand in der Festung Schlaf finden würde.
Ein alter Mann und eine junge Frau verteilten ohne Unterbrechung Wasser aus dem Brunnen und sorgten dafür, dass jeder Platz an dem Bassin fand, in dem sich der Regen in der Mitte des Hofes sammelte. Als Camila an der Reihe war, schöpfte sie mit der Hand aus dem Becken. Ohne nachzudenken, tauchte sie ihren Kopf in das Wasser und genoss die Kühle und das Gefühl von Klarheit, das es mit sich brachte. Dann warf sie einen Blick auf die Türme und die festen Mauern, die sie umgaben. Die Festung würde der Belagerung eine Weile trotzen, dessen war sie sich sicher. Und nach den zahlreichen Angriffen des Tages würden Ionnis’ Truppen in dieser Nacht wohl erst einmal ihren Teilsieg feiern, statt gleich weiterzukämpfen.
Eine Hand berührte sie an der Schulter, und sie schreckte aus ihren Gedanken auf. Radu stand vor ihr.
» Ich habe dich gesucht«, meinte er.
» Mich? Was gibt es denn?«
» Es geht um Natiole. Sie haben ihn eben in die Festung gebracht. Er war bei den Letzten, die es geschafft haben, und er ist verletzt.«
Sie sprang auf. » Ist es schlimm?«
» Ich weiß es nicht. Ich hatte gehofft, du könntest vielleicht nach ihm sehen. Ich kann meinen Posten nicht so lange verlassen.«
» Natürlich«, erwiderte sie und lief los.
Auf ihrem Weg durch die Festung wurde ihr bewusst, dass sie noch nie in Natioles Privatgemächern gewesen war. Warum auch? Sicher hätte sein dyrischer Diener so etwas nicht begrüßt. Camila runzelte die Stirn, als sie sich daran erinnerte, dass Natiole erwähnt hatte, dass Artaynis in Teremi war. Ionnis’ Frau, die von den Zwergen gehört hat, dass ein Drache Wlachkis bedroht. Sie drehte und wendete den Gedanken in ihrem Kopf, aber er schien keinen Sinn zu ergeben, egal, wie sehr sie sich auch anstrengte.
Als sie die Tür zu Natioles Räumen erreichte, hob sie eine Hand und klopfte.
Seine Stimme antwortete ihr sofort. » Herein!«
Camila fiel ein Stein vom Herzen. Er lebt noch, und er ist hier, hinter dieser Tür.
Natiole saß mit nacktem Oberkörper vornübergebeugt auf einem Stuhl. Seine Rüstung, sein Hemd und die beiden Waffen lagen neben ihm. Phryges war eben dabei, einen Faden in eine Nadel einzufädeln, um einen Schnitt im Oberarm des Voivoden zu
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