Der Krieg der Trolle
nähen. Die Wunde musste stark geblutet haben, denn einige rot gefärbte Lappen lagen auf dem Boden.
Beide Männer sahen sie unverwandt an.
» Radu hat mich hergeschickt«, erklärte Camila, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. » Ich kann das machen«, bot sie dann an und deutete auf die Nadel.
» Herr, soll ich Euch wirklich allein lassen?«, fragte Phryges.
Natiole nickte seinem Kammerherrn zu. » Ich bin mir sicher, dass du anderswo in der Burg mehr gebraucht wirst als hier«, sagte er. Camila konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten.
Der Dyrier sah unschlüssig von einem zum anderen, aber dann verließ er das Zimmer mit einer Verbeugung.
Camila besah sich die Nadel aus Silber und den gewachsten Faden. » Kannst du den Arm ruhig halten?«, fragte sie. » Oder soll ich ihn lieber festbinden?«
» Es geht schon«, erwiderte Natiole und stützte den Ellbogen auf die Lehne.
Ihr Blick fiel auf eine Karaffe, die auf dem Tisch stand. » Möchtest du vielleicht noch einen Schluck Wein, bevor ich anfange?«
» Danke.« Während Natiole trank, sah sie, dass ihre eigenen Finger stärker zitterten als seine. Sie atmete mehrmals langsam ein und aus, spürte die Verbindung zum Land und zu den Geistern, schwach, weil sie von Mauern umgeben war, aber nichtsdestotrotz immer vorhanden. Ihre Hände wurden ruhig. Phryges hatte die Wunde bereits gereinigt. Alles, was sie tun musste, war, sie zu nähen.
Sie fädelte das Ende der gewachsten Seide ein, verknotete den Faden und drückte die auseinanderklaffenden Wundränder zusammen. Natiole sog scharf die Luft ein, als sie die Nadel in sein Fleisch gleiten ließ. Sie arbeitete schnell und konzentriert. Fünf Stiche, sechs, sieben, acht. Dann war die Arbeit getan. Sie blickte dem jungen Voivoden ins Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen und die Zähne so fest zusammengebissen, dass sein Kiefer weiß hervortrat. Camila verknotete den Faden und legte die Nadel beiseite.
» Ich bin fertig«, sagte sie schlicht. Dann nahm sie einen Leinenstreifen, den Phryges bereitgelegt hatte, und wickelte ihn Natiole um den Arm.
Er stieß den angehaltenen Atem aus. » Danke. Schätze ich.« Er nahm die Weinkaraffe und tat einen tiefen Zug.
Sie lächelte schwach. » Keine Ursache.«
» Wie sieht es in der Burg aus?«, wollte er dann wissen.
Sie nahm ebenfalls einen Schluck von dem Wein, den er ihr hinhielt. Es war ein schwerer wlachkischer Roter, der ihr beinahe sofort zu Kopf stieg.
» Es gibt viele Verletzte«, sagte sie. » Aber soweit ich sehen konnte, haben es wohl fast alle in die Festung geschafft. Wie viele konnten denn aus der Stadt fliehen?«
» Ich weiß es nicht«, erwiderte Natiole und senkte den Kopf. » Als klar wurde, dass der Tag verloren ist, habe ich nur noch daran gedacht, meine Krieger von den Mauern herunterzuschaffen. Schon vorher sind Leute in die Burg gebracht worden, Alte und Kinder hauptsächlich. Ich habe keine Ahnung, wie viele jetzt hier sind. Oder was Ionnis mit denen tun wird, die nicht rechtzeitig in die Feste flüchten konnten.«
» Er ist auch ein Wlachake, Natiole«, sagte Camila so ruhig, wie sie konnte. » Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ein sinnloses Blutbad unter seinesgleichen anrichten lässt.«
» Und was, wenn er nicht mehr er selbst ist? Wenn Artaynis Recht hat und ein Drache seinen Geist vergiftet?«
» Auch dann hätte es keinen Sinn.« Camila hoffte inständig, dass ihre Worte zutrafen. » Ich wollte dir noch etwas sagen«, begann sie vorsichtig. » Als ich … Als Ionnis mich vor die Stadt gebracht hat, hat der Alte versucht, meinen Geist zu kontrollieren. Er wollte mich zwingen, dich zu Verhandlungen aufzufordern.«
Der junge Voivode hob den Kopf und sah sie an. Mit der Hand seines unverletzten Armes strich er vorsichtig über den Bluterguss an ihrer Schläfe. Seine Berührung war so leicht, dass es nicht wehtat. » Doch das hat er nicht geschafft«, sagte er leise.
» Nein. Aber das lag nicht an mir. Als ich versucht habe, mich in die Welt der Geister zurückzuziehen, habe ich den Weißen Bären gesehen. Er hat mich davor bewahrt, in den Bann der Magie des Alten zu geraten. Der Weiße Bär gab mir die Kraft, seinem Einfluss zu widerstehen.«
Natiole sah sie fragend an. » Kann er dich nicht kontrollieren, weil du eine Geistseherin bist?«
» Ich bin Geistseherin, seit ich dreizehn Jahre alt war«, erklärte Camila und schüttelte den Kopf. » Ich habe den Ruf früh gehört, und mein Lehrmeister, Adan,
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