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Der Krieg der Trolle

Der Krieg der Trolle

Titel: Der Krieg der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Himmel verriet seine Position.
    Obwohl er seinen Mantel nicht übergestreift hatte, fror Natiole nicht. Er war an das raue Klima seiner Heimat gewöhnt, und auch wenn er schon mildere Länder bereist hatte, hätte er Wlachkis niemals gegen das Goldene Imperium tauschen wollen.
    Ohne das Licht des Mondes war es ziemlich dunkel, aber das Band des Magy ließ sich noch erkennen, ebenso wie die Gipfel der Berge und das Land. Das Land der Wlachaken, der Trolle, der Masriden und der Vînai. Das Land, um das es schon so viele Kriege gegeben hatte.
    Das Wissen, dass der lange Kampf seines Volkes Früchte getragen hatte, dass Frieden herrschte und die Wlachaken in Freiheit leben konnten, hätte ihn eigentlich beruhigen sollen, aber stattdessen verspürte er ein Ziehen in seinem Herzen. Fast konnte er es körperlich spüren: Da draußen war etwas, verborgen in der Dunkelheit, aber auch im Sonnenlicht nicht zu erkennen. Eine Gefahr für sein Volk, ja, für alle Völker, die das Land zwischen den Bergen ihre Heimat nannten. Die Trolle und die Elfen, die dem Land viel stärker verbunden waren als seine eigenen Leute, irrten sich nicht, das wusste er. Was sie gespürt hatten, mochte leicht auch die Heimat der Menschen zerstören. Und es lag in seiner Verantwortung, sie davor zu schützen.
    Natiole seufzte, schloss die Augen und rieb sich die Lider. Er war müde, ohne schlafen zu können. Seit dem Tod seines Vaters waren seine Nächte ohnehin kurz, und oft lag er wach und grübelte über Probleme, die er noch nicht gelöst hatte. Aber in den letzten Tagen war es noch schlimmer geworden. Seine Gliedmaßen waren bleischwer, und er fühlte sich unaufmerksam, wie durch ein dickes Tuch von der Welt getrennt, und zugleich wusste er, dass es nichts bringen würde, sich jetzt in seine Gemächer zurückzuziehen. Der Schlaf würde nicht kommen.
    Hinter ihm erklangen Schritte, zu leicht und zu leise, um von einem der Soldaten zu stammen. Natiole richtete sich auf, straffte die Schultern und atmete aus, bevor er sich umwandte. Es war Camila, gehüllt in einen dunklen Mantel, dessen Farbe sie in der Nacht nahezu unsichtbar werden ließ, bis sie die Kapuze zurückschlug und er ihr Gesicht sehen konnte. Ihr Haar, das normalerweise die Farbe von Kastanien hatte, sah in der Dunkelheit beinahe schwarz aus.
    » Ihr seid noch auf den Zinnen, Herr?«, fragte sie leise. » Bewacht Ihr Eure Untertanen ganz allein?«
    Natiole musste lächeln. » Nein, die Wachen sind nur bei ihrem Rundgang am anderen Ende der Mauer angelangt. Allein wäre ich meinen armen Untertanen wohl auch keine große Hilfe.«
    » Sagt das nicht, Herr …«, begann Camila, aber Natiole fiel ihr ins Wort: » Kannst du mich nicht einfach bei meinem Namen nennen? Immerhin hast du mir das Leben gerettet. Ich komme mir sehr undankbar vor, wenn du mich so ansprichst.«
    » Es ist die angemessene Anrede«, erwiderte sie ernst. » Euch den angemessenen Respekt entgegenzubringen ist wichtig. Was würden Eure Berater sagen, wenn Euch plötzlich alle Natiole nennen und Euch bloß zuwinken würden, wenn Ihr vorbeigeht?«
    Er seufzte. Vermutlich hatte sie recht, aber es gefiel ihm trotzdem nicht. » Dann sag zumindest Natiole, wenn wir allein sind. Hier und jetzt«, bat er.
    » Wenn … du es wünschst.«
    Sie klang unsicher, und beinahe bereute er es, sie darum gebeten zu haben. Er wollte nicht, dass sie sich in seiner Nähe unwohl fühlte. Nicht nach allem, was sie für mich getan hat.
    » Kannst du auch nicht schlafen?«
    Sie schüttelte den Kopf und zog den Mantel enger um ihre Schultern. » Die Nacht ist meine Zeit. Für mich ist es die Zeit der Geister: Es fällt mir leichter, mit ihnen zu sprechen, wenn nur der Mond am Himmel steht.«
    » Ist das bei allen Geistsehern so?«
    » Ich weiß nicht, vielleicht ist es nur eine Angewohnheit meinerseits. Ich war noch nie eine gute Schläferin.«
    » Wenn hier Trolle zu Gast sind, ist die Nacht gezwungenermaßen auch meine Zeit«, scherzte Natiole. » Ich habe das Gefühl, ich müsste ständig aufpassen, dass nicht irgendetwas passiert. Und verschwundene Schweine sind nur der kleinste Teil des Übels.«
    » Aber du bist nicht nur deswegen wach«, vermutete sie richtig.
    » Ich …« Er zögerte, dann sprach er weiter: » In der Nacht halten mich oft die Sorgen in ihrem Griff.«
    Er blickte nach Süden zum Horizont, wo er in der Ferne Ionnis und Artaynis in Désa wusste. Eine unbestimmte Sehnsucht überkam ihn, der Wunsch, nicht länger alle Sorgen

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