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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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nicht Deutschlands Sache sei, hier Forderungen zu stellen, sondern die Sache der Sieger, hierzu Vorschläge zu machen. Schließlich hätte Deutschland Anspruch auf seinen einstigen Besitz. Entweder werde die Kolonialfrage irgendwann „im freien Spiel der Kräfte geregelt" oder es gebe vorher eine „vernünftige Lösung". Hitler beendet seine Ausführungen mit der Versicherung, daß er auch akzeptable Kompensationsvorschläge annähme, wenn England oder Frankreich aus strategischen Gründen glaubten, bestimmte Kolonien nicht zurückgeben zu können. In Halifax' anschließendem Bericht über dieses Gespräch mit Hitler steht ein Gedanke, dem aber niemand Taten folgen läßt:
    „ Statt zu versuchen, Hitler seine kolonialen Forderungen mit einer „frei
    en Hand" in Europa abzukaufen, sollte man den möglicherweise vernünf
    tigen Weg gehen und ihm eine koloniale Regelung zum Preis dafür bieten,
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    daß er sich als guter Europäer zeigt."
    Trotz der guten Absicht gibt es in der Frage der Rückübertragung früherer deutscher Kolonien keinen Fortschritt, auch nicht als Halifax 1938 selbst Außenminister geworden ist. Im März 1938 bringt der englische Botschafter in Berlin Henderson lediglich einmal ins Gespräch, daß man Deutschland vielleicht ein Gebiet in Afrika, etwa dem Kongo-Becken entsprechend geben könnte 249
    . Die
Erwähnung des Kongo mag man als Angebot auf Belgiens Kosten werten. Dem
Vorschlag folgen keine Taten.

    Ein Jahr nach dem Halifax-Besuch, am 19. September 1938 ist Premierminister Chamberlain zu Gast bei Hitler, um die Frage der Rückkehr der Sudetendeutschen „heim ins Reich" zu regeln. Auch da vergißt es Hitler nicht, die Kolonien zu erwähnen.
    „Diese Frage sei", so Hitler, „ allerdings keine kriegerische Forderung.
    Sie müsse jedoch auch einmal erfüllt werden und Deutschland werde nie
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    von ihr abweichen."
    Nach diesem Chamberlain-Besuch und dem Anschluß der Sudetenlande wird es wieder kälter zwischen London und Berlin. Zu stark war Hitlers Drohung mit dem Krieg. Als dann sechs Monate danach die Rest-Tschechei zum deutschen Protektorat gemacht wird, ist der Zorn in England groß. Hitler hat sich hier in ei

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    Documents Brit. Foreign Policy, Second Series, Volume XIX, Document 336 249
    Weizsäcker-Papiere, Seite 497, Fußnote 12
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    ODSUN-Dokumente, Seite 758
    ner Art bedient, die man in London so nicht akzeptiert. Man will vor allem nicht, daß England eines Tages die 1920 erworbenen, früheren deutschen Kolonien in gleicher Weise unter deutschem Druck verliert. Doch vor den Kolonien steht offensichtlich Danzig auf der Tagesordnung. Und so versucht die englische Regierung von der Tschechei-Besetzung an, den Deutschen eine Hürde aufzubauen, an der sie stehen bleiben oder selber einen Krieg eröffnen müssen. England ist von nun an entschlossen, den Danzig-Streit zu nutzen, um Deutschlands weiteren Revisionen einen Riegel vorzuschieben, ehe es um Englands eigene Kriegsgewinne geht. So folgen konsequenterweise die britische Garantie an Polen gegen Deutschland und der weitere Ausbau von Heer, Luftstreitkräften und Marine.

    Hitler, der sich seit jeher um eine Partnerschaft mit Großbritannien bemüht hat, und der bis zum letzten Tage vor dem Kriegsausbruch versuchen wird, zu einer Einigung mit London zu gelangen, hat hier einen der zwei wunden Punkte Englands angefaßt. Der zweite Punkt wird – wie an späterer Stelle dargestellt – die Aufrüstung der Kriegsmarine sein. Hitler hat für englisches Empfinden zu häufig und zu klar auf Deutschlands Anspruch auf die Kolonien hingewiesen. Zu häufig und zu klar, auch wenn er stets betont hat, daß diese Frage nur einvernehmlich und ohne Zeitdruck irgendwann zu lösen sei.

    Trotz der von Hitler mit der Tschechei-Besetzung so verschärften Lage werden die deutsch-englischen Gespräche – wenn auch nur auf Beamten-Ebene – fortgesetzt. Am 18. Juli 1939 findet zwischen dem britischen Schatzamt und dem „Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan" ein Sondierungsgespräch über Möglichkeiten einer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern statt. Ein englischer Vertreter spricht dabei über eine „gemeinsame Erschließung Afrikas durch die europäischen Kolonialmächte", ohne allerdings Deutschlands direkte Beteiligung zu erwähnen 251
    . Er bezieht englische, portugiesische, spanische, belgische, französische und ehemals deutsche Kolonien in eine solche Konstruktion mit

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