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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Die Beurteilung, ob ein Volk tugendhaft oder nicht tugendhaft ist, ... müßte man dem lieben Gott über lassen. ... Mit welchen Mitteln haben denn die tugendhaften Nationen sich ein Viertel der Welt erworben ? ... Es sind keine tugendhaften Methoden gewesen. 300 Jahre lang hat dieses England nur als untugendhafte Nation 51 gehandelt, um jetzt im Alter von Tugend zu reden."
    Die Stiche gegen England und Frankreich sind angesichts der letzten Kolonialerwerbungen beider Länder vor nur zwei Jahrzehnten nicht ganz unberechtigt, doch Hitler setzt die Rede mit einem kapitalen Fehler fort. Er bezeichnet das am Vortag vorgeschlagene Anerbieten der Briten an die Polen als Zeichen einer Einkreisung des Deutschen Reichs und droht, bei Abschluß eines Militärvertrags zwischen Warschau und London seinerseits das Deutsch-Britische Flottenabkommen von 1935 aufzukündigen. Großbritanniens Macht und Weltreich beruhen auf der Überlegenheit der Flotte, und Hitler trifft hier mit voller Wucht auf Englands bloßen Nerv. Als er seine Drohung wenige Tage später wirklich wahr macht, bricht er die Brücke ab, die er sich vor vier Jahren selbst auf seinem Weg zu einer Verständigung mit Großbritannien geschlagen hat. England hat nun einen Grund mehr, gegen Deutschland Krieg zu führen.

    Diese Wilhelmshaven-Rede schreckt in Deutschland vor allem die Führung der Kriegsmarine auf, die sofort die wachsende Gefahr einer britisch-deutschen Aus

    Domarus, Band 2, Seite 1121
    einandersetzung sieht, und die daran denkt, daß die USA mit ihrer Sympathie stets auf Englands Seite stehen. Der Oberbefehlshaber der Marine Raeder nimmt seine Verantwortung als Berater des Reichskanzlers Hitler sehr ernst und trägt ihm mehrmals vor, daß Deutschland einem Seekrieg mit Großbritannien nicht gewachsen ist. Er warnt davor, die Briten in irgendeiner Form zu reizen. Und Hitler versichert Raeder jedesmal, er werde es nicht zum Krieg mit England kommen lassen. Auch Göring rät Hitler, falsche Schritte gegenüber Großbritannien zu vermeiden. Er bekommt die gleichen beschwichtigenden Antworten wie Großadmiral Raeder.

    Bei ein paar offiziellen Auftritten in der Zeit danach wiederholt Hitler dieses Spiel. Er wirft den Briten ihr eigenes Sündenregister vor und wirbt zugleich um ihre Partnerschaft. Die Spitzengenerale und Admirale warnen Hitler, doch sie respektieren dessen politische Entscheidungen. Sie hoffen, daß Hitler den Bogen nicht überspannt. Nach ihrer bisherigen Sicht der Dinge gibt es nach einer endgültigen Lösung der noch immer offenen Danzig-Frage auch nichts mehr zu regeln. Selbst nach der von Hoßbach festgehaltenen Geheimbesprechung vom 5. November 1937 steht scheinbar nichts Weiteres mehr im Raum. Die Ankündigungen vom größeren Lebensraum sind nach Ansicht der Wehrmachtsführung mit Österreich und der Tschechei bereits eingelöst. Von einem Kriege gegen die Sowjetunion ist bislang keine Rede. Und Hitler hat auch stets gesagt, daß er Kriege gegen Frankreich oder England von sich aus vermeiden will, selbst wenn er sie auf Dauer für unvermeidlich hält. So steht mit der Wilhelmshaven-Rede für die Generale und Admirale derzeit nur die riskante Unvorsichtigkeit des Politikers Adolf Hitler zur Debatte, nicht aber eine Absicht, einen neuen Weltkrieg zu entfesseln. Für sie ist der Schutz des Deutschen Reiches nach wie vor die Rolle, für die sie die neue Wehrmacht aufgebaut und aufgerüstet haben.

    An diese Stelle gehört auch noch einmal die Hitler-Rede vom 28. April 1939, die schon an früherer Stelle dieses Buchs Erwähnung findet. Am 14. April hatte US-Präsident Roosevelt Hitler einen Brief geschickt und ihm „aus Sorge für alle die anderen Völker der westlichen Hemisphäre" aufgefordert, 31 namentlich genannte Staaten in den nächsten 10 oder besser 25 Jahren nicht anzugreifen. Des weiteren hatte Roosevelt Verhandlungen über Abrüstungen vorgeschlagen. Hitler antwortet mit der schon erwähnten Reichstagsrede, daß das Deutsche Reich vor zehn Jahren abgerüstet hätte, daß die Siegerstaaten ihren Vertragspflichten, damals gleichfalls abzurüsten, nicht nachgekommen seien, und er verweist auf seine eigenen Abrüstungsvorschläge, die die Sieger aus ihrer damaligen Position der Stärke allesamt abgelehnt hätten. Und Hitler fragt Roosevelt sarkastisch, warum er – Hitler – auch die Unabhängigkeit der Republik Irland garantieren solle, wo sich der irische Präsident de Valera doch gerade darüber beklagt habe, daß Irland

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