Der Krieg, der viele Vaeter gatte
Vorsitzenden der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, Dr. Kleist, auf, einen Beamten im Auswärtigen Amt. Łubieński gelingt es, Dr. Kleist zu überzeugen, daß sein Chef in Warschau nicht mehr „Herr des Verfahrens" ist, und daß die seit Monaten in einen Kriegsrausch versetzte polnische Bevölkerung derzeit keinen Kompromiß zu Danzig dulden werde. Beck, so Graf Łubieński, sehe die Lage Polens durchaus realistisch, doch er brauche Zeit, bis sich die Verhältnisse in Polen abgekühlt und normalisiert hätten. 312 Dr. Kleist
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Benoist-Méchin, Band 7, Seiten 433 ff
vermittelt diese Sicht der Dinge sofort an von Ribbentrop, der sich damit noch am gleichen Tag bei Hitler meldet. Es ist schon ein kleines Wunder, daß sich von Ribbentrop, der sonst nicht gerade mäßigend auf Hitler Einfluß nimmt, hier zum Fürsprecher seines polnischen Kollegen macht. Doch auch dieser kleine Hoffnungsfunke für den Frieden verglimmt ganz schnell angesichts der Auswirkungen, die W gerade diese in Polen angefachte Stimmung gegenüber Deutschland hat. Nach von Ribbentrops kurzem Vortrag entgegnet Hitler:
„Wie ich Herrn Henderson schon gesagt habe, glaube ich gern, daß Beck
und Lipski voller guter Absichten sind. Aber sie sind nicht mehr Herr der
Lage. Sie sind Gefangene einer öffentlichen Meinung, die durch Überstei
gerung ihrer eigenen Propaganda und die Prahlereien der Militärs zur
Weißglut gebracht worden ist. Selbst wenn sie verhandeln wollten, wären
sie nicht in der Lage dazu. Das ist der eigentliche Kern der Tragödie.
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Sehen Sie!"
Hitler reicht von Ribbentrop ein Telegramm, das auf seinem Schreibtisch liegt:
„ 24. August, 13.15 Uhr, Verkehrsflugzeug „ Lufthansa D-ABHF "15 bis 20
Km Entfernung vor Küste Hela in 1500 m Flughöhe durch polnische Flak
von etwa 40 km von Küste liegendem polnischen Schiff beschossen.
Sprengwolken von acht Schüssen von Maschine beobachtet.
25. August, 12.47 Uhr, Verkehrsflugzeug „Lufthansa D-AHIH" 20 km Ent fernung von Heisternest durch polnische Flak beschossen. Schüsse so na he, daß Detonationen im Flugzeug laut gehört wurden. Unter Fluggästen Staatssekretär Stuckart. ...
25. August, 14.18 und 15.25 Uhr, Wasserflugzeug der Kriegsmarine Pillau auf Höhe von Brösen in weiter Entfernung von Küste beschossen, zweites Mal mit sechs Schuß. Schüsse entweder von Heia oder vom polnischen Schiff abgegeben." Hitler bemerkt zu den drei Meldungen:
„ Wenn wir die Warschauer Regierung auffordern, sie solle sich bei uns
entschuldigen, wird sie uns wie gewöhnlich antworten, sie träfe keine
Schuld. Das ist reine Anarchie. Was soll man da machen?"
Von Ribbentrops einziger überlieferter Versuch, Hitler zu bewegen, der polnischen Regierung mehr Zeit zu lassen, ist damit kein Erfolg beschieden.
Am gleichen Tag liegt in London der nächste Bericht aus Warschau vor. Botschafter Kennard teilt mit, wie er die Dinge sieht:
„Soweit ich das beurteilen kann, sind die deutschen Behauptungen über
die massenhaften Mißhandlungen an Angehörigen der deutschen Minder
heit in Polen grobe Übertreibungen, wenn nicht sogar Fälschungen. ...
Jedenfalls handelt es sich dabei schlicht und einfach um deutsche Provo
kationen im Zusammenhang mit einer Politik, die die zwei Nationen
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gegeneinander aufgebracht hat. Ich nehme an, daß dies geschieht, um (a) Kriegsstimmung in Deutschland zu entfachen, (b) die öffentliche Meinung im Ausland zu beeindrucken und (c) entweder Niedergeschlagenheit oder offensichtliche Aggressionen in Polen zu provozieren. ...Es gibt keine An zeichen, daß die zivilen Behörden die Kontrolle über Zustände in Polen
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verloren haben. ..."
Montag, der 28. August
Vier Tage vor dem Kriegsausbruch.
Frühmorgens 1.30 Uhr: Göring kommt von Hitler zurück und hat mit der Dahlerus-Botschaft Erfolg gehabt. Hitler hat wider Görings anfängliche Befürchtungen Englands Standpunkt respektiert. Göring berichtet trotz der Schlafenszeit sofort Dahlems über Hitlers Kommentare zur aus London überbrachten Antwort.
„Mit Freude", so Marschall Göring „begrüße Hitler Englands Wunsch,
mit Deutschland zu einer friedlichen Abmachung zu gelangen. Der Reichs
kanzler würde größten Wert darauf legen, ein wirkliches Bündnis zwischen
Großbritannien und Deutschland zustande zu bringen und nicht nur einen
Vertrag. Hitler respektiere Englands Entschluß, seine Garantie für Polen
aufrechtzuerhalten und ebenso
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