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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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sind, die stärker wiegen als das souveräne Recht der Staaten, nach innen und nach außen das eigene Wesen und das Leben ihrer Bürger zu bestimmen. Dieser Überzeugung hängt auch Roosevelt an, der sich darum berufen fühlt, die Wertvorstellungen Amerikas in die Welt zu exportieren, notfalls auch mit Kriegen. Jener liberal-demokratische Internationalismus vieler Amerikaner findet im zeitgleichen marxistisch-leninistischen Internationalismus insofern eine Parallele, als beide überzeugt sind, das Wohl der Menschen zu vertreten, und beiden eine verborgene Kriegsbereitschaft innewohnt.

    Von Bedeutung ist auch Roosevelts Verhältnis zu den Deutschen seit dem Ersten Weltkrieg. Die USA haben die globale Nachkriegsordnung in den Konferenzen von Versailles, Trianon und Saint-Germain entscheidend mitgeprägt. Doch ihr damals eingebrachter Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, auf die Durchsetzung der Demokratie in fremden Staaten, auf die Freiheit der Meere im Frieden und im Kriege und auf einen dauerhaften Frieden hat sich weder in den Siegerkonferenzen noch in der Nachkriegszeit ganz durchgesetzt. So versucht Roosevelt seit seinem Amtsantritt als Präsident 1933 diesen Traum der Amerikaner nun doch noch zu verwirklichen.

    Roosevelt hat die Strafen des Versailler Vertrages gegenüber Deutschland Zeit seines Lebens als gerecht verteidigt, und er hat verlangt, sie weiter durchzusetzen. Das Selbstbestimmungsrecht der „abgetrennten" Deutschen interessiert ihn dabei wenig. Sein Verhältnis zu Prinzipien gibt auch in anderer Hinsicht Rätsel auf. In seinem Kampf für Demokratie und Menschenrechte beklagt er zum Beispiel vehement die Menschenrechtsverletzungen, deren sich die deutsche Reichsregierung schuldig macht. Dagegen berühren ihn die auch ihm bekannten Verfolgungen, Vertreibungen und Ermordungen von Angehörigen der ehemaligen Oberschicht in Rußland und von Großbauern, von Offizieren und Parteifunktionären offensichtlich wenig. Die massenweise „Liquidierung von Klassenfeinden" in der Sowjetunion und die Menschenrechtsverletzungen in Polen und in der Tschechoslowakei fechten ihn nicht an. Er deutet sich die despotisch regierte Sowjetunion in eine Übergangserscheinung zu einer späteren sozialen und gerechten Gesellschaftsordnung um. Daß der deutsche entartete nationale Sozialismus der Konkurrenzentwurf des Diktators Hitler zu dem etwas älteren und schon vorher entarteten russischen Sozialismus der Diktatoren Lenin und Stalin ist, bleibt Roosevelt verschlossen. Auch die unterschiedliche Bewertung, die der Präsident gegenüber dem Deutschen Reich und Polen vornimmt, ist kaum zu ergründen. Im späteren Streit um Danzig und um eine exterritoriale Verkehrsanbindung des seit 1920 abgetrennten Ostpreußen an das Reichsgebiet steht Roosevelt ohne Zweifel auf der Seite Polens. Dabei geht es ihm nicht in erster Linie um den Schutz des Staates Polen. Sonst hätte er sich dieses ebenfalls autoritär geführte, bis in jüngster Zeit gegenüber seinen Nachbarn aggressive und antijüdische Land sicherlich genauer angesehen. Es geht ihm auch nicht um die Not der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Sonst hätte er die Polen in gleicher Wei se wie die Deutschen in die Schranken weisen müssen. Schließlich übersteigt die Zahl der zwischen 1933 und 1937 an den US-Kongreß gerichteten Protestschreiben wegen antijüdischer Maßnahmen in Polen die Zahl der gleichen Klagen aus dem Deutschen Reich um ein Vielfaches 54 . Es geht dem amerikanischen Präsidenten allein darum, die von den USA in Versailles mitgeschaffene Ordnung zu erhalten. Roosevelt stellt das gleich nach Hitlers Regierungsübernahme unmißverständlich klar.

    Er, der selbst sofort nach Amtsantritt 20 Zerstörer und 2 Flugzeugträger für die Flotte bauen läßt, besteht darauf, daß Deutschlands Rüstung auf dem in Versailles festgelegten Niedrigstand zu bleiben hat 55 . Auch der Einzug deutscher Truppen in das Rheinland erbost den Präsidenten. Weitere Revisionen der Nachkriegsordnung von Versailles ohne Beteiligung und Billigung der USA wären für Roosevelt eine Demontage des Macht- und Führungsanspruchs, den er hier empfindet.

    Roosevelts Sorge für eine demokratischere, gerechtere und sicherere Welt kreist nicht allein um Deutschland. Seine harten Reaktionen, in deren Sog das Deutsche Reich ab 1937 kommt, haben ihren Ursprung zunächst in Japan und Italien. Beide sind nach dem Ersten Weltkrieg nicht so mit Kriegsgewinnen abgefunden worden,

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