Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
Stunde
Während sich die meisten in der Gemeinschaft zwischen den gerade überstandenen und den Gefahren, die als nächstes vor ihnen lagen, ein wenig zu entspannen versuchten (sofern ein anstrengender Ritt inmitten einer vor Hitze flirrenden Ödnis dafür auch nur ansatzweise geeignet war), hing Sigurd gänzlich anderen Gedanken nach. Der arme Kerl konnte nicht davon lassen, andauernd prüfende Blicke zu Alva zu werfen, die er ein Stück vor sich reiten ließ, und er befürchtete, dass den anderen dies mittlerweile längst aufgefallen war. Er wusste auch nicht, was auf einem Mal mit ihm los war – auf jeden Fall hatte er sich selten so verkrampft und hilflos gefühlt. War es am Ende so, dass er für diese unreife, vorlaute, verwöhnte awidonische Prinzessin etwas empfand? Das war ganz und gar ausgeschlossen!
Solche Gefühlsduseleien habe ich schließlich nicht nötig, und außerdem bin ich für eine feste Bindung noch viel zu jung!
, dachte der Prinz bei sich. Wobei er natürlich wusste, dass das eine glatte Lüge war.
Andauernd dachte er an den vergangenen Abend am Lagerfeuer in der Ruinenstadt zurück, als Alva und er für eine geraume Weile nahe beieinander gesessen hatten und jeder der beiden ganz offensichtlich nur darauf gewartet hatte, dass der andere ein vertrauliches Gespräch begann. Beinahe hätte er sich – wie er zu seiner Schande gestehen musste – dazu bequemt, doch dann war es die junge Awidonerin gewesen, die sich dicht neben ihn gesetzt und ihn mit ein paar unverfänglichen Fragen aus der Reserve gelockt hatte. Fragen über Lemuria, über Pír Cirven, seine Familie und schließlich über immer persönlichere Dinge. Irgendwann hatte sie begonnen, auch von sich und ihrer Mutter zu erzählen, und der Sohn Arnhelms hatte festgestellt, dass ihr Lächeln höchst ansteckend war und sie überhaupt gar nicht so kindisch war, wie er vorher immer gedacht hatte.
Als sie dann so richtig warm miteinander geworden waren, und Pandialo, dieser idiotische Graf, immer missbilligender in ihre Richtung blickte, hatte ein jäher Schrei die Harmonie wie ein rostiges Messer zerschnitten. „Die Mucklins sind in Not!“, riefen plötzlich alle durcheinander, und ihm war nichts anderes übrig geblieben, als mit Cord, Faramon, Piruk und den anderen loszulaufen und ihre kleinen, naseweisen Freunde zu suchen, die sich schon wieder Scherereien eingebrockt hatten.
Ich habe von Anfang an gewusst, dass diese Mucklins nichts Gutes bringen, aber langsam fangen sie wirklich zu nerven an!
, hatte er wütend vor sich hingemurmelt.
Neimo, Fredi und Hermeline wurden gerettet, der Istari-Schamane wurde in den Trümmern seiner eigenen Mauern begraben, und ihnen glückte die Flucht aus dieser alten Spukstadt – demnach schien also alles in Butter zu sein. Die Wahrheit war jedoch, dass Alva und er seither kein einziges Wort mehr gewechselt hatten und er sie trotz genauesten Beobachtens nicht einmal mehr lächeln gesehen hatte. Die Sorgen ihrer Mission hatten sie eingeholt, wie es schien. Oder war das gestern Abend aus Sicht der Prinzessin tatsächlich nichts weiter als ein belangloser Plausch am Lagerfeuer gewesen, den man sofort danach wie eine beliebige andere Nichtigkeit wieder vergaß?
Der lemurische Thronerbe hätte sich dafür ohrfeigen können, doch es gab derzeit keine andere Frage, die ihn brennender interessierte. Was hätte er jetzt dafür gegeben, seine Fahrtgenossen schwuppdiwupp wegzuzaubern, um mit Alva wenigstens ein Weilchen allein zu sein! Wie wohl sie nur darüber dachte?
„Wenn ich mir unseren Lotan so ansehe, dann fürchte ich, dass sich sein Zustand eher noch verschlimmert hat. Meine Heilkünste haben ihren Zweck demnach ebenso verfehlt wie die Bemühungen der Orks. Was meinst du dazu, Sigurd?“, fragte Faramon. Sein Blick wanderte zu dem alten Zauberer, dessen Haut mittlerweile so straff und dünn wirkte, dass er aussah wie ein verschrumpeltes Herbstblatt, das der nächstbeste Windhauch ins Grab wehen konnte.
„Hmmm? Was? Hast du mit mir gesprochen? Tut mir leid, ich hab’ gerade nicht zugehört“, gab Sigurd etwas verdattert aussehend zurück.
„Ja, unser Prinz sieht schon die ganze Zeit ziemlich nachdenklich aus. Fragt sich nur, um was oder vielmehr um
wen
sich seine Gedanken so drehen ...“, bemerkte Neimo mit einem höchst schelmischen Grinsen, ehe er kurz und doch vielsagend zu Alva hinschaute.
Dieser vorlaute Mucklin weiß Bescheid!
, durchfuhr es Sigurd wie ein Blitz.
Bleibt vor diesen
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