Der Krieg der Zauberer, Band 3: Die Rückkehr nach Arthilien (German Edition)
und wir können es rechtzeitig erkennen und unschädlich machen , dachte Neimo. Der braunhaarige Mucklin war dieses Mal bei der zweiten Wachrunde an der Reihe, sodass er gegen Mitternacht gemeinsam mit Faramon Piruk und Fredi abgelöste. Um einiges später würden sie dann Sigurd und Hermeline wecken, die das Los als nächste auserkoren hatte.
Während der blonde Elb und das kleine Geschöpf aus Bühlsend im Mucklinland nebeneinander saßen und die Schneise, die bergan zu ihren schlafenden Freunden emporführte, bewachten, ereignete sich eine ganze Weile lang überhaupt nichts. Was in Neimos Augen nicht unbedingt etwas Schlechtes war. Alles bis auf ihr klein gehaltenes, knisterndes Lagerfeuer war dunkel, ja geradezu stockfinster, nur gelegentlich wurde das Orkland um sie herum von einem bleichen Schein erfüllt, wenn der Vollmond am bewölkten Himmel kurz durch eine Wolkenspalte leuchtete und die Oberfläche der Einöde mit seinem silbernen Licht übergoss. Unterdessen saß der Fürst der Nolori mit geöffneten Augen da und schien doch in so etwas wie einen Wachtraum versunken, wie es die Art der Elben war. Auf diese Weise schenkte er seinem schlanken Körper und seinem Geist eine willkommene Labsal und hielt seine Wachsamkeit doch unvermindert aufrecht. Faramons Verhalten war demnach wie immer, was nach Neimos Meinung bedeuten konnte, dass er wirklich den Sohn Thingors und Nimroëls neben sich sitzen hatte. Aber natürlich konnte das auch eine List ihres gewieften, nach Piruks Aussage so anpassungsfähigen Gegners sein.
„Ich gehe rasch zu meinem Schlafsack, mein Messer und ein Stück Holz holen“, sagte der Elb irgendwann. „Die Wolken sind aufgerissen, und der Mond scheint so hell und klar, dass er mir ein gutes Licht gibt, um mir mit etwas Schnitzerei die Zeit zu vertreiben.“
„So hell und klar finde ich es auch wieder nicht. Und komm ja gleich wieder – ich fühl’ mich in dieser Gegend aus irgendeinem Grund gar nicht wohl alleine!“
Faramon lächelte und glitt wie ein Schatten, den sein hell leuchtendes Haar wie eine goldene Haube krönte, den Anstieg zum Kamm der Düne empor. Neimo zog seinen Mantel enger um sich, während ihm nichts anderes übrig blieb, als unglücklich auf die Rückkehr des Elben zu warten. Dass ihm gerade nicht sonderlich wohl zumute war, konnte man getrost als die Untertreibung des Jahres bezeichnen. Irgendein inneres Gefühl, eine noch unerforschte Mucklinintuition vielleicht, sagte ihm, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war und dass jeden Augenblick etwas ganz Furchtbares geschehen konnte. Bald standen seine Augen nicht mehr still, und er versuchte, mal in der einen, mal in der anderen Richtung eine Besonderheit, einen dahinhuschenden Schatten vielleicht oder eine fremde Silhouette, die sich gegen den Hintergrund der Nacht abhob, zu erkennen. Wo bleibt eigentlich dieser Faramon? Er ist doch sonst so flink auf den Beinen!
In diesem Moment vernahm das kleine Wesen ein leises Rascheln hinter sich, das an einen schwachen Wind gemahnte, der in trockenes Herbstlaub fährt. Erschrocken wirbelte Neimo herum und blickte den Hang hinauf, und dann ...
... setzte sein Herz für einen Schlag aus, ehe seiner Kehle ein unglaublich hoher, gellender Schrei entfuhr.
Weniger als zehn Schritt vor ihm stand eine zweibeinige Kreatur auf dem aus ihrer Sicht abschüssigen Pfad, der genau zum Standort des Mucklins hinunterführte. Da die Dunkelheit ihr Antlitz verhüllte und von ihrem Körper kaum mehr als ein nachtschwarzer Scherenschnitt zu erkennen war, war für Neimo durchaus schwer zu sagen, was für einer Art von Lebewesen er sich gegenüber sah. Auf alle Fälle verfügte der Unbekannte über eine dunkle, glatte und glänzende Haut, in der sich das Mondlicht wie in einem tiefen Gewässer spiegelte, und außerdemüber gebogene Krallen an den Händen, die so enorm waren, dass er sie als Sichelschneiden hätte verwenden können. All dies schloss aus, dass es sich bei diesem Wesen um einen der Angehörigen der Gemeinschaft handelte, es sei denn, einer von ihnen hätte eine Theaterausrüstung in seinem Packen versteckt und besäße einen sonderbaren Sinn für Humor.
Viel wahrscheinlicher war allerdings, dass diese Kreatur der Mörder Naíbs war und mit Neimo etwas ganz Ähnliches im Sinn gehabt hatte, hätte dieser das Anschleichmanöver nicht gerade noch rechtzeitig bemerkt. Kaum hatte der Mucklin seine warnende Stimme erhoben, da warf die fremde Gestalt auch schon alle Angriffspläne,
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