Der Krieg der Zauberer, Band 3: Die Rückkehr nach Arthilien (German Edition)
stieg und sich anschickte, den Horizont zuerklimmen, kam die Helligkeit so schnell und gründlich, wie das nur in der Wüste möglich war.
Die Angehörigen der Gemeinschaft setzten ihren mühseligen Weg fort, ohne dass das furchtbare Thema, das sie am frühen Morgen beschäftigt hatte, während des Tages noch einmal zur Sprache kam. Überhaupt lastete über den Fahrtgenossen nun ein so frostiges Schweigen, wie dies trotz aller vorangegangenen Streitereien noch nie der Fall gewesen war. Tatsächlich war, seitdem sie den unglücklichen Naíb gemeinsam im Sand begraben hatten, das gegenseitige Misstrauen zu einer gefährlichen Gereiztheit angewachsen, und jeder achtete peinlich darauf, seine bevorzugte Waffe stets griffbereit zu haben. Den Mucklins kam hierbei die undankbarste Rolle zu: sie saßen stets zuvorderst auf den Pferden, Neimo vor Piruk, Fredi vor Sigurd oder Faramon und Hermeline vor Alva, was bedeutete, dass sie ihren Rücken unmöglich die ganze Zeit über schützen konnten, sollte gerade ihr Hintermann in Wahrheit ein getarnter Cho-Ronzon sein und es während des Ritts auf sie abgesehen hatte. Viel wahrscheinlicher war jedoch, dass die Kreatur – vorausgesetzt, dass Piruk mit seiner entsetzlichen Vermutung Recht besaß – die Furcht der Fremden in seinem Land auskostete, sich keineswegs zu überstürzten Handlungen hinreißen ließ und es vielmehr bevorzugte, abermals im Schutz des Mantels zu handeln, den die Nacht über ihre dunkle Taten ausbreiten würde. Allein der Gedanke daran ließ einem verzweifeln.
Während sie weiter auf Osten zuhielten, hielt eine unwirklich anmutende Stille die Einöde umfangen. Das einzige, was man hin und wieder hörte, war eine lärmende Schar Geier oder Wüstenraben, die sich auf einem kahlen Felsen um ein karges Mahl zankten. Neimo war das ganz recht, denn ein jedes andere Geräusch – etwa das Rascheln von ein paar aus dem Weg huschenden Kriechtieren oder das Zischeln einer Schlange – ließ ihn jedes Mal zusammenfahren, so als ob sich gerade ein Fallbeil über ihm senkte und es ihm jeden Augenblick an den Kragen ginge. Und dabei war er, wie er glaubte, noch nicht einmal der ängstlichste der acht Reiter!
Fredi und Pandialo haben sich beide verdächtig gemacht, daran besteht kein Zweifel. Vielleicht war es Zufall, dass sie sich gerade dann, als der Gestaltenwandler den armen Naíb angriff, von ihren Plätzen entfernten. Vielleicht aber auch nicht. Immer wieder ging er die Liste der Verdächtigen durch, auf der praktisch alle aus der Gemeinschaft standen. Mit Ausnahme von ihm selbst selbstverständlich. Ich würde doch wohl merken, wenn ich plötzlich ein verwandeltes Monster und kein braver Mucklin mehr wäre, oder etwa nicht? Egal, weiter im Text! Besonders merkwürdig verhält sich meiner Beobachtung nach Sigurd. Seit Wochen ist er um Alva herumscharwenzelt, nur heute hält er sich plötzlich von ihr fern. Außerdem hat er den ganzen Tag noch keine einzige seiner gemeinen Bemerkungen fallen lassen. Vielleicht ist das nur wegen dem Schrecken, der uns allen in die Glieder gefahren ist. Vielleicht aber auch nicht.
Natürlich kam Neimo auf diese Weise nicht wirklich weiter, und natürlich wusste er sehr gut, dass die anderen ihre eigenen Listen abhandelten und möglicherweise ihn ganz oben führten. Auf alle Fälle wurde er das ungute Gefühl nicht los, dass irgendjemand oder irgendetwas, eine fremdartige Intelligenz höchstwahrscheinlich, sie alle fortwährend beobachtete, sich an ihrer Furcht weidete und möglicherweise gerade überlegte, wer von ihnen wohl am besten als nächstes Opfer taugte.
Am Abend nahm die Sonne eine topasfarbene Färbung an, bis Schatten den Tag erdrosselten und ihr letztes Glimmen schließlich erlosch. Dieses Mal errichteten sie ihr Nachtlager auf dem Sattel einer hohen Düne, deren Stirnseite abgeschrägt war, sodass man sie von dort aus begehen konnte. Die weiteren Flanken der Anhöhe hingegen waren senkrechte Wände, die ein zweibeiniges Lebewesen unmöglich würde überwinden können. An diesem einzigen Zugang schlugen die beiden, die jeweils als Wachen eingeteilt waren, ihren Posten auf, womit sie sicherstellten, dass kein Fremder den Weg zu ihren Gefährten finden würde, ohne dass sie es bemerkten. Wennes sich bei ihrem Feind jedoch tatsächlich um einen Gestaltenwandler handeln sollte und er bereits unter ihnen weilte, dann konnte ihnen womöglich nur noch Aldu persönlich beistehen ...
Es sei denn, dieses Biest macht einen Fehler
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