Der Krieger und der Prinz
wandelten und Männer wussten, was getan werden musste, um sie aufzuhalten. Aber seit die Getreuen der Bleichen Maid ihre Künste in Ithelas offen praktiziert hatten, waren Jahrhunderte verstrichen, und die Menschen im Westen hatten vergessen, dass zum Verbrennen von Leichen mehr gehörte als Licht und süßer Weihrauch zu Ehren Celestias.
Die Leiche der Dienerin lag in den Ställen, wo Albric sie zurückgelassen hatte, als er das erste Mal durch Weidenfeld geritten war, die Hufe seines Pferdes nass vom Blut. Er hatte die Frau ins Licht des späten Nachmittags hinausgezerrt, sich davon überzeugt, dass sie tot war, und war weitergezogen. Es gab so viele Leichen zu zählen.
Jetzt war der Körper verwest und stank, der größte Teil des Fleisches im Gesicht fehlte und der Rest war verschrumpelt wie ein weicher, brauner Apfel, aber die Lumpen des Kleides und der Pfeil zwischen den Rippen machten sie immer noch kenntlich, und sie war unverändert auf eine Art und Weise, die die Dornenlady, die daneben im Stroh kniete, abstoßen würde.
Albric blieb auf seinem Pferd sitzen und hielt sich weiter auf der Straße. Er sah keinen Sinn darin, dem Werk der Dornenlady Severine noch näher zu kommen.
Er verabscheute sie zutiefst. Auch die Söldner aus Ang’arta hatten ihm nicht besonderes gefallen, obwohl sie für den größten Teil der Morde in Weidenfeld verantwortlich waren und damit notwendig für die Pläne seines Lords. Aber das war eine andere Art von Abscheu. Die Baoziten waren primitive Männer und grausam, aber sie waren menschlich. Sie würfelten und tranken am Feuer, sie beklagten sich unterwegs über kalte Nächte, und nach schlechten Mahlzeiten litten sie an Durchfällen. Er verstand sie.
Die Dornenlady Severine verstand er nicht. Er hoffte, er würde sie niemals verstehen. Ein Geist wie der ihre hatte etwas zutiefst Gebrochenes an sich, etwas, das zugleich mehr und weniger war als menschlich. Ob es ein Ergebnis der Ausbildung war, die sie im Turm der Dornen erhalten hatte, oder ein Charakterzug jener, die eine solche Ausbildung anstrebten, wusste Albric nicht und wollte es auch nicht wissen.
Es war ihm zuwider, dass Leferic sich auf die Frau verließ. Lieber hätte er an einem fauligen Seil über dem Abgrund von Speerbrück gebaumelt, als sein Vertrauen in eine Dorne gesetzt … Aber Leferic hatte anders entschieden, und es war Albrics Pflicht zu gehorchen.
Im Allgemeinen war das keine Bürde. Albric hatte weder Brüder noch Söhne, und im Laufe der Jahre war Leferic für ihn ein wenig von beidem geworden; aber das Band zwischen ihnen war noch fester. Es war in seiner reinsten Form das Band zwischen einem Ritter und seinem Lord.
Albric kannte den Krieg. Er wusste, wie sich eine Linie Fußsoldaten gegen berittene Angreifer verteidigte, wie man Belagerungen durchführte und ihnen widerstand, wie man einen Bauernjungen zu einem passablen Soldaten ausbildete. In der Vergangenheit und Gegenwart des schwelenden Krieges an den Ufern des Seivern waren diese Fähigkeiten alltäglich und notwendig.
In der Zukunft wären sie es vielleicht nicht mehr. Das war Leferics Traum, und obwohl Albric die vollen Konsequenzen dessen, was sein Lord zu tun hoffte, nicht begriff, verstand er doch, dass er eine entscheidende Rolle dabei spielte, Leferics Pläne wahr werden zu lassen.
Denn während Albric sich darauf verstand, Krieg zu führen, verstand Leferic sich darauf zu herrschen. Das Ausmaß und die Tiefe der Neugier seines Lords erstaunten ihn. So war es schon gewesen, seit Leferic ein fünfjähriger Knabe gewesen war und die Werke von Inaglione und de Halle gelesen hatte, während Albric kaum zusammenbekam, was auf den Buchdeckeln stand. Lord Ossaric hatte ihm befohlen, aus seinem jüngeren Sohn einen Mann zu machen, da die Eichenharner so etwas schätzten, und obwohl es Albric misslungen war, aus dem Jungen auch nur einen mittelmäßigen Krieger zu machen, hatte er gelernt, dass es vielleicht andere Maßstäbe für Männlichkeit gab. Verstand, Schläue, Geduld. Leferic besaß all diese Eigenschaften. Er würde einen Regenten abgeben, wie Bullenmark ihn noch nie gesehen hatte.
Er hätte der ältere Sohn sein sollen. Sir Galefrid war kein schlechter Mann, aber er hatte einen schwachen Kopf gehabt und war kurzsichtig, undiszipliniert und leicht zu lenken gewesen. Die Jagd und die Falknerei hatten ihm besser gefallen als die kalten, nüchternen Erfordernisse der Regentschaft. In dieser Hinsicht war er seines Vaters Sohn und
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