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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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ihre unmittelbaren Pflichten im Lager erledigt hatte, stimmte sie in Kellands Gebet ein. Es lag Musik in seinem Gebet, eine sonore Feierlichkeit, die sie niemals nachahmen konnte. Der Sonnenritter betete mit solcher Hingabe, mit solch inbrünstiger Liebe, dass Bitharn meinte, spüren zu können, wie die Wärme von Celestias Gegenwart sie mit den Strahlen des verblassenden Lichtes berührte. Er betete, bis die Dämmerung kam, und hörte erst auf, als der letzte Sonnenschimmer erstarb.
    Nach dem Gebet aßen sie die Suppe mit Scheiben harten, knusprigen Brots. Bitharn ließ Kelland schweigend essen. Sie wusste, dass er nach einem Gebet um Anleitung eine Weile brauchte, bis er sich gesammelt hatte, und sie war es ohnehin zufrieden, ihn im Feuerschein zu beobachten. Die weißen Muschelschalen leuchteten im Licht der Flammen, und das Feuer verlieh seiner Haut die Farbe von tief dunklem Mahagoni.
    Er war ein schöner Mann. Seltsam, dass niemand sonst es zu sehen schien, geblendet wie sie waren durch sein exotisches Aussehen und die Insignien seines Glaubens. Bitharn beneidete diese Menschen ein wenig; vielleicht wäre es besser gewesen, es überhaupt nicht zu bemerken, statt sich nach etwas zu sehnen, das sie nicht haben konnte. Aber es ließ sich nicht mehr ändern, also beobachtete sie ihn am Feuer und quälte sich mit dem, was sie nicht aussprechen konnte.
    »Woran denkst du?«, fragte er mit einem neugierigen Lächeln.
    Bitharn blinzelte. »Ich wüsste gern, was dir deine Visionen gezeigt haben«, log sie.
    »Wir sollten nach Osten gehen.« Kellands Lächeln verblasste. Er griff nach einem Stück Borke, drehte es in den Fingern und warf es in die Flammen. Seine Augen waren dunkel im Schein des Feuers. »Die Vision war … verworren, aber so viel war klar: Sie sind in Richtung der aufgehenden Sonne geritten. Nach Osten, zu einer Burg, in der auf einem alten, knorrigen Stuhl ein grüner Junge sitzt, während weiße Wölfe ihn gegen seine eigenen Hunde verteidigen.«
    »Ein grüner Junge, der auf einem alten Thron sitzt, könnte sich in einem halben hundert Burgen finden«, erwiderte Bitharn. »Erben sind jung in diesem Teil der Welt. Was hast du sonst noch gesehen?«
    »Nur wenig, das für mich einen Sinn ergibt«, sagte Kelland mürrisch. Er klaubte noch ein Stück Borke von der Erde. »Den Jungen, wie er über einer Blutlache tanzte, die sich bei jedem Schritt vor seinen Füßen zurückzog, die jedoch zurückkäme und ihn verschlingen würde, wenn sein Tanz langsamer würde. Ein leuchtend blauer Kristall, kälter als Frost, der hinter einer Maske aus toter Haut glänzte. Eine schwarze Katze mit dem ebenholzschwarzen Horn eines Einhorns und wilden, grünen Augen sowie ein Mädchen, das versuchte, auf ihr zu reiten, mit zwei Säuglingen auf einer Waage, einem in jeder Waagschale. Andere Dinge, blassere, die ich kaum erkennen konnte. Und dich, weinend.« Er hielt ihrem Blick stand, ohne zu blinzeln, die Züge stoisch, aber er zerbrach beim Sprechen die Borke in winzige, scharfkantige Stücke. »Du hast im Schnee gekniet und mein Schwert gehalten, und da waren Dornen in dem Griff, an denen du dir die Hände blutig gestochen hast. Sie haben sich von dem Griff gelöst und eine Kette um deine Handgelenke gebildet.«
    Bei seinen Worten lief es ihr kalt den Rücken hinunter, aber Bitharn brachte ein lässiges Achselzucken zustande. »Nun, besser meine Hände als meine Kehle. Wie dem auch sei, die Visionen bedeuten nicht das, was sie dir zeigen, das weißt du. Das Licht der reinen Wahrheit der Strahlenden würde uns blenden – ist es nicht das, was die Priester sagen? Die Göttin zeigt uns, was unser Verstand erfassen kann, und manchmal können wir ihr nicht genau folgen. Ich bin mir sicher, dass meinen Händen nichts geschehen wird.«
    »Ich werde dich nicht ins Verderben führen.« Eine Furche erschien zwischen Kellands Brauen. Sie sehnte sich danach, die Hand auszustrecken und sie zu glätten, und sie verschränkte die Finger, um sie still zu halten.
    »Mir wird schon nichts geschehen. Mir ist in Silberteich nichts zugestoßen, und das hier ist nicht schlimmer.«
    »Das hier ist etwas anderes.«
    »Warum?« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Es sollte besser nicht darum gehen, eine zarte Blume der Weiblichkeit zu beschützen. Ich werde dir einen Stein an den Kopf werfen. Du weißt es besser.«
    »Ich habe noch immer die blauen Flecken vom letzten Mal, die mich daran erinnern.« Ein Lächeln leuchtete in seinen Augen auf,

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