Der Krieger und der Prinz
flackerte jedoch und erlosch bald. »Es sind die Dornen, Bitharn.« Ausnahmsweise einmal entglitt ihm sein würdevoller Ernst, und der Ritter klang so jung, wie er war. »Ich habe Angst um dich. Nicht um mich selbst. Dies ist meine Pflicht. Ich wusste, was es bedeutet, als ich meine Gelübde ablegte. Aber du …«
»Ich habe dieselben Gelübde abgelegt«, sagte Bitharn fest und fiel ihm ins Wort. »Oder sind meine Gelübde belanglos, weil die Göttin nicht durch mich spricht?«
Das war ein Tritt unter die Gürtellinie, und ihr Gewissen regte sich ein wenig, weil sie es laut gesagt hatte, aber ihre Worte trafen ins Schwarze. Schmerz flackerte in Kellands Gesicht auf, bevor seine stoische Maske zurückkehrte. »Also schön. Wenn du darauf bestehst.«
»Das tue ich. Ohne mich bist du hoffnungslos verloren.«
»Allerdings.« Er versuchte abermals zu lächeln, mit noch weniger Erfolg, und schaute überallhin, nur nicht zu ihr. »Das ist der Grund, warum ich Angst habe. Es geht nicht darum, gesegnet zu sein oder nicht. Ich kann dich nicht an die Dornen verlieren.«
»Oh«, sagte Bitharn. Wunderbar. »Na ja.«
»Tut mir leid. Ich hätte nicht …«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf, wobei ihr Zopf auf ihrem Rücken pendelte. Alle Worte in ihrem Kopf schienen wie verdunstet zu sein. Sie stand auf und ging um das Feuer herum zu Kelland hinüber. Dann ließ sie sich auf die Knie nieder und drückte ihm einen Finger auf die Lippen. Er zuckte zusammen, als habe sie ihn verbrannt, dann entspannte er sich und überließ sich ihrer Berührung. »Bitte. Das darf dir niemals leidtun.«
»Es muss mir leidtun. Ich bin durch meine Gelübde gebunden.«
Ehrlichkeit, Ritterlichkeit, Keuschheit; Bitharn kannte die Gelübde gut. Die Ritter der Sonne durften keine Geliebten und keine Ehefrauen nehmen, denn sie mussten im Körper so rein sein, wie sie es in der Seele waren. Jene, die ihre Gelübde brachen, verloren die Gunst der Göttin, besudelten die Ehre ihres Ordens und wurden aus den Reihen der Gesegneten ausgestoßen. Sterbliche Liebe war unmöglich für jene, die sich der Gunst des Göttlichen erfreuten.
»Ich weiß. Ich bitte dich nicht, sie zu brechen«, sagte sie. Es war nur eine halbe Lüge. Begehren war nicht bitten.
»Danke«, erwiderte er, und die Worte waren beinahe ein Seufzer.
Sie lehnte sich an ihn, Schulter an Schulter, und wünschte, sie würde sich nie wieder bewegen müssen. Ein unsichtbarer Wolf heulte in der Ferne. Ein anderer beantwortete seinen Ruf. Blätter raschelten im Wind; eines fiel in ihr Feuer und bog sich durch, die Ränder leuchteten auf, und dann zerfiel es zu Asche. Kelland fühlte sich warm an neben ihr, und sie suchte verstohlen nach seiner Hand. Er versteifte sich leicht, ergriff sie jedoch; ihre Finger schlangen sich ineinander, eine Berührung, die tröstete, wo Worte dies nicht vermochten.
»Was wissen wir über die Dornen?«, fragte Bitharn leise. Sie wollte nicht, dass dieser Moment endete, aber wenn sie Erfolg haben wollten – und weitere Momente wie diesen in der Zukunft –, mussten sie vorbereitet sein.
»Sehr wenig«, gab er zu. Sie konnte spüren, wie die Worte in einer Brust widerhallten. Ohne nachzudenken, schmiegte Bitharn sich enger an ihn und lehnte den Kopf an seine Schulter. Wieder versteifte sich Kelland, aber einen Herzschlag später sprach er weiter. »Nur zwei meiner Lehrer in der Kuppel der Sonne haben ihnen je gegenübergestanden: Khierien Solenar und Isleyn Silberlocke. Beide haben bei Thelyandfurt gekämpft, und Sir Isleyn war auch bei Asenfall. Abgesehen von diesen beiden und einer Handvoll Erwähnungen in Manuskripten, die beinahe bis zur Gründung Calantyrs zurückreichen, wissen wir nichts. Eltanir Teglessin hat unermüdlich daran gearbeitet, die alten Legenden zu sichten und die Künste wiederzuentdecken, die wir vergessen haben, aber so etwas kostet Zeit, und inzwischen kommen wir nicht so recht voran. Sie sind so neu.«
»Oder so alt«, sagte Bitharn. Auf ihrem Ritt hatte sie den Rest der Geschichte der Dornen aus Kelland herausgeholt, und was sie erfahren hatte, war nicht beruhigend.
Kliasta, die Bleiche Maid, die dem Schmerz gebot, war einst im Westen ebenso wie im Osten verehrt worden. Ihre Anhänger waren niemals zahlreich gewesen; es gab nicht viele Menschen, die sich dazu verpflichtet fühlten, ihr Leben auf der Suche nach Qual und mit der Kultivierung von Qual zu verbringen. Die wahrhaft Wahnsinnigen wandten sich Maol zu, während jene, die reine
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