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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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denken zu können. „Das ist sehr gut.“ Ich gluckste. „Wirklich. Finden Sie Ihre eigenen!“
    Sie wollte mir wieder auf die Pelle rücken, doch nun war es genug. Ich hob den Arm mit dem Reif und richtete ihn auf sie. „Sie wissen, wozu dieses Ding in der Lage ist.“
    Zaudernd blieb sie stehen.
    „Ich glaube nicht, dass Sie mich erschießen“, sagte sie selbstbewusst. „Das hätten Sie längst gekonnt.“
    Das Pfeifen und Dröhnen in meinem Ohr schwoll weiter an, und mir wurde schlecht.
    „Sie haben recht, meine Liebe, doch der Schluss, den Sie ziehen, ist falsch. Ich warne Sie zum letzten Mal. Wenn Sie den dritten Kristall vor mir finden, können wir unser Gespräch gerne fortsetzen, denn ich finde Ihre Gegenwart sehr amüsant. Bis dahin aber ...“
    Sie machte einen Ausfall, und ich fluchte und schoss. Tatsächlich löste sich ein Graphitstift aus dem Lauf, doch sie rollte sich mit beeindruckender Behändigkeit weg, und der Schuss wurde zum pfeifenden Querschläger. Ich hatte keine Lust auf eine Konfrontation im Nahkampf, also tat ich, was mir als Erstes in den Sinn kam, und sprang über das Geländer des Laufstegs.
    Im Sprung drehte ich mich. Da ich nur eine Hand frei hatte, wurde es kein sehr gewandtes Manöver, aber immerhin schaffte ich es, den Laufsteg zu packen. Ich wollte schon meinen Seesack mit den Artefakten auf die darunterliegende Galerie werfen, dann aber fiel mir das Pyroglycerin wieder ein, das sich immer noch darin befand, und ich hielt ihn im letzten Moment fest. Meine Schulter stöhnte unter meinem schwingenden Gewicht, doch bevor meine Gespielin auf die Idee kommen konnte, auf meinen Fingern herumzutrampeln, schwang ich mich in die Galerie, tunlichst darauf bedacht, den Seesack mit meinem Körper abzufedern. Hart kam ich auf, und mein Fuß drehte sich in einer Art und Weise, die ihm nicht zusagte. Geräuschvoll taumelte ich in eine Auslage mit Schweizer Feldausrüstung.
    „Was zum Teufel ist da oben los?“, hörte ich eine tiefe, befehlsgewohnte Stimme. Prachtig , die Palastwache! Einen schönen Belmonte gab ich da ab. Was nun? Wie sollte ich aus diesem Serail entkommen?
    Ich hörte schnelle Schritte über mir und frohlockte. Nur zu, lenke die Aufmerksamkeit von mir ab!
    „Stehenbleiben!“ Als wäre irgendein Straffälliger auf der Welt dieser Anordnung je nachgekommen.
    Ich schnappte mir noch ein Messer aus dem Haufen, in dem ich lag, und rannte los, um das Transept herum nach Westen. Ich hörte, wie hinter mir Beine sehr viel eleganter, als mir das gelungen war, auf der Galerie aufsetzten. Im Gehen warf ich ihr daher einen Schrank mit Kuhglocken in den Weg, die mit einem infernalischen Läuten zu Boden polterten. Ich hörte, wie sie über die Glocken stolperte, und von der nächstgelegenen Treppe hinter uns tönte nach wie vor das Geschrei der Wache, die auf die Galerie gelaufen kam. Welaan , es war noch nicht vorbei.
    Warum nur musste diese Frau mich immerzu verfolgen? Doch diesmal hatte ich zwei Verfolger abzuschütteln. Es sei denn, es gelang mir, sie einander vorzustellen und eine Weile zu beschäftigen.
    Voraus, jenseits einer dunklen Galerie aus Buntglasgemälden, lag ein Bereich des Palasts, den ich noch nicht kannte. Einige Modelle hingen von der Decke, und dahinter konnte ich die Schatten großer Skulpturen erahnen. Ich brauchte einen Augenblick, meinen nächsten Schritt zu planen. Unvermittelt hielt ich an, wirbelte herum und legte auf sie an.
    Das Entsetzen über ihre eigene Unvorsichtigkeit stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Mehrfach hatte ich versucht, sie auf diese Weise zu töten, und immer war es danebengegangen. Diesmal aber wollte ich sie gar nicht treffen, ein wenig Abschreckung wäre mir schon genug gewesen, doch das war nicht so leicht mit einer fast unsichtbaren, fast lautlosen Waffe. Unter den starren Blicken der Buntglasgemälde hielten wir beide die Luft an. Dann sah ich eine Auslage mit Essgeschirr, schoss, Teller zerplatzten in einer Wolke von Splittern, und meine Verfolgerin sprang in Deckung.
    Ich rannte. Das unförmige Ding, das vor mir von der Decke hing, entpuppte sich als eine Art propellergetriebener Lenkballon. Direkt neben mir hing das Seil eines Flaschenzuges. Ich hatte keine Ahnung, wo sich die nächsten Treppen befanden, also entschloss ich mich, aufs Deck des Schiffes überzusetzen. Ich packte beide Seile des Flaschenzuges und schwang mich auf das Luftschiff, während ich hinter mir das Aufeinandertreffen von Klingen vernahm.

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