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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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haben, denn der Arzt kam zu mir, tupfte mir die Stirn mit einem feuchten Tuch und sprach mir zu. „Ruhig, ruhig, Junge“, lachte er. „Ich sehe, der Cocasud wirkt. Du zeigst schon viel mehr Zutrauen in die Welt.“ Als er das gesagt hatte, griff er in die Hautfalte an meinem Solarplexus und setzte mir etwas ein. Ich erkannte den Stein wieder, den ich zuvor schon getragen hatte und der meine Feinfühligkeit und mein technisches Geschick ins Grenzenlose steigerte. Nach und nach erinnerte ich mich auch wieder, was ich hier tat und wem ich das alles zu verdanken hatte.
    Der Arzt klopfte mir auf die Schulter, als hätte er bemerkt, was in mir vorging: „Es ist doch schön zu wissen, dass man sich auf die Heeren verlassen kann, nicht wahr? Sich zu häufig an neue Kräfte zu gewöhnen kann sehr unangenehm sein. Zu viele auf einmal machen einen wahnsinnig, und sie nach zu langer Zeit zu verlieren auch.“
    „Wer sind Sie?“, fragte ich und beobachtete die Gestalt, die sich über mich beugte, als sähe ich sie zum ersten Mal. Der Arzt sah aus wie ein lebender Geist. Sein Haar war ergraut, und sein eingefallenes, sonnengegerbtes Antlitz kündete von einem ungesunden Lebenswandel.
    „Mein Name ist Dr. Fleerackers“, sagte er und zog die Lippen von den Zähnen, was wohl ein Lächeln andeuten sollte. „Ich diene den Heeren schon sehr lange ... wie schon mein Vater vor mir. Streck den Arm aus.“
    Ohne nachzudenken tat ich, was er verlangte.
    „Du kannst dich glücklich schätzen“, brummte er und legte mir eine Art breites Band um den Arm, in dem sich einige Löcher befanden. „Die VOC hat etwas ganz Besonderes für dich.“ In die Löcher hängte er kleine Geräte, die er mir erklärte: „Dieses Gerät ist wie ein Zitteraal; berühre jemanden damit, und er erfährt einen starken elektrischen Schlag. Diese Handfeuerwaffe hier schießt völlig lautlos; Stifte aus Graphit – Kohle, wenn du so willst.“ Er schenkte mir wieder sein unheimliches Grinsen. „Die Engländer lieben ihre Kohle, wie du weißt. Also schieß sie ihnen direkt ins Herz!“
    Ich nickte gehorsam. Ich wusste Ironie zu schätzen.
    „Hiermit schließlich“, fuhr er fort, „wirst du unsichtbar. Ganz recht; es ist eine Art Tarnkappe, dank derer du das Aussehen deiner Umgebung annimmst. Doch gib acht – sie ist noch im Teststadium. Vermeide schnelle Bewegungen und benutze sie nicht allzu oft. Je mehr du sie benutzt, desto schneller versagt sie den Dienst.“ Nahtlos fügten sich die Geräte in das Band, und jedes hatte eine kleine Öffnung. Darin verbargen sich kleine Kristalle.
    Ich spürte sie, ehe ich sie sah, und ein angenehmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Der Stein, der dort saß und mir meine besondere Geschicklichkeit verlieh, mochte das Hirn sein, das diese Technik verstand und benutzte; die Kristalle aber waren das Herz, das sie antrieb. „Wie kleine Dampfmaschinen“, gackerte Dr. Fleerackers, und da wurde mir übel – konnte er wissen, was in meinem Kopf vor sich ging?
    „Mit deinem Kopf sind wir fertig“, beruhigte er mich. „Als Ingenieur stört es dich sicher nicht, dass wir ein paar Korrekturen daran vorgenommen haben, oder?“
    „Was für Korrekturen?“, fragte ich, denn wie jeder vernünftige Mensch war ich recht stolz auf meinen Kopf.
    „Nur ein paar neue Nervenbahnen“, winkte er ab. „Eine meiner eigenen Züchtungen.“ Er beugte sich wieder über mich und funkelte stolz auf mich herab. „Deine Nerven sind nun Teil eines teleelektrischen Systems, mit dessen Hilfe du dich mit den Heeren verständigen kannst, gleich, wie weit du von ihnen entfernt bist. Alles, was es dazu braucht, ist ein weiterer kleiner Kristall im Ohr.“
    „Beeindruckend“, gab ich zu.
    „Ich hatte einen großen Lehrer“, antwortete er. Sein Blick schweifte in die Ferne. „Meinem Vater war es vergönnt, Zeit seines Lebens die Artefakte zu erforschen und zu perfektionieren. Er diente den Heeren schon, ehe es diesen Stützpunkt gab. Ehe sie in die Salze gingen ... er war es auch, der das Geheimnis des Meistersteins enträtselte, ehe er seiner Krankheit erlag. Sein Wissen lebt in mir fort.“
    „Wieso erzählen Sie mir das alles?“, fragte ich und richtete mich auf.
    „Weil der Meisterstein bald dir gehören wird“, sagte der Doktor. „Es ist bereits in London, bei einem Mann unseres Vertrauens, und wartet dort auf dich.“ Er gab mir die Skizze eines Artefakts, die ich eingehend studierte.
    Er neigte den Kopf. „Du hast es

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