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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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ich diese Suppe herunterbekäme, ist noch nicht erfunden worden.“
    „Ich soll Ihnen noch etwas bestellen, Sir“, haspelte der Sergeant und senkte die Stimme wieder.
    „Ja?“
    „Von Ihrer Frau Gemahlin.“
    Ich erstarrte und suchte in seinem Gesicht nach einem Hinweis darauf, dass er mich veralberte.
    „Was haben Sie mit meiner Frau zu schaffen, Sergeant?“
    „Nichts, Sir!“, befleißigte er sich. „Der Admiral trug mir nur auf, ihr zu bestellen, Sie seien wohlbehalten zurück. Ich meine, wieder im Land.“
    „Sie waren bei meiner Frau?“, wiederholte ich.
    „Wie ich sagte, Admiral Shiels trug mir ...“
    „Warum sollte er das tun?“
    „Ich weiß nicht. Ich glaube, er hielt es für eine menschliche Geste. Ich glaube, so nahm sie es auch auf ...“
    „Gehen Sie mit Ihrem Glauben doch in die Kirche“, knurrte ich und wandte mich zum Gehen. Er sprang mir aus dem Weg.
    „Ich kann Sie nicht daran hindern, Ihre Pflicht zu tun, Sergeant“, erklärte ich ihm geduldig, „aber niemand kann mich daran hindern, Sie bewusstlos zu schlagen, wenn Sie sich weiter in Dinge einmischen, die Sie nichts angehen.“
    „Aber Sir“, protestierte Greenwood.
    „Was noch?“, fuhr ich ihn an.
    „Wollen Sie denn nicht wissen, was sie gesagt hat?“
    „Wenn ich wissen will, was meine Frau zu sagen hat, werde ich zu ihr gehen und sie fragen. Ganz gewiss werde ich nicht Sie danach fragen. Guten Abend.“
    Damit ließ ich ihn stehen und ging mit knurrendem Magen zurück: über die nächtliche Kuhweide, durch den scheußlichen Garten, das nicht minder scheußliche Anwesen und zurück zu meiner Arbeit, die auf der anderen Seite des Kensington Gore auf mich wartete.

Miss Niobe
    Kinder der Götter
    G ittertüren fallen ins Schloss, mit einem Geräusch, als werde der Laufsteg eines großen Dampfschiffes eingeholt. Schwere Ketten rasseln über Metall, und im hohlen Bauch des Schiffes stampfen die Maschinen ihren alten Tanz. Man legt mich auf einen kalten Tisch und bindet mich mit Lederriemen.
    Ich wehre mich, kämpfe gegen die packenden Hände und die engen Fesseln, doch ich ernte nur mitleidige Blicke. Männer mit grimmigen Bärten beugen sich über mich, kleine Augen funkeln hinter runden Augengläsern. Sie ragen über mir auf wie Bäume, so dass ihre Zylinder bis an die Decke zu stoßen scheinen, und machen sich Notizen auf ihren Blöcken. Sie rühren einen grauenhaften Cocktail aus Tropfen und Pulvern zusammen, zwingen meinen Mund auf und flößen ihn mir ein. Ich tobe und pruste, doch irgendwann muss ich schlucken, wenn ich nicht ertrinken will. Dann bringt man mich weg. Matronenhafte Krankenschwestern strafen mich mit ihren Blicken. Das ist es, sagen diese Blicke, was man erhält, wenn man sich die Kleidung vom Leib reißt und ein nacktes Mannsbild über die Rotten Row verfolgt! Für Leute wie dich haben wir Bedlam gebaut!
    Sie stoßen mich in ein kaltes, nacktes Verlies, und eine eiserne Tür fällt mit einem lauten Knall ins Schloss. Der Widerhall des Knalls wandert die Korridore der Anstalt hinab, wo klagend die Stimmen der Irren zum Leben erwachen. Ich werfe mich gegen die Tür und schreie aus Leibeskräften, doch meine Stimme ist nur eine von vielen in diesem trostlosen Chor. Ich weiß, dass man diese Schreie an manchen Tagen bis vor die Tore hören kann und Besucher von weit her kommen, ihnen lauschen zu dürfen.
    Bald werde ich müde, und meine Sinne verwirren sich. Ich habe Angst, dass die Drogen, die sie mir gegeben haben, mich einschlafen und nie wieder erwachen lassen werden. Meine Nachbarn fallen mir ein und das Arsen, mit dem sie die Katzen vergiften. Ich presse mein Gesicht gegen die Stäbe des Fensterchens in der Tür. Ein Arzt mit einer Spritze läuft draußen vorbei und wirft mir einen süffisanten Blick zu. Ich erkenne ihn: Ich kenne sein listig lächelndes Gesicht, denn es ist Frans, der dort draußen vorbeiläuft, und ich heule auf wie ein verwundetes Tier und bete, dass man mich befreien, dass jemand kommen und mich wegbringen möge von diesem finsteren Ort.
    Ich schreie nach Bailey.
    Bailey ist bisher immer gekommen.
    Er war immer da, mich aufzufangen – selbst wenn ich gar nicht wusste, dass ich fiel.

    Die schwüle Hitze hing über den Treppenstufen des Tempels. Sie lag überall: über den Salzsümpfen, dem Fluss und den Armensiedlungen an seinen Ufern. Sie lag über der ganzen Welt, die ich kannte. Es bereitete mir nur geringes Vergnügen, dass sie die Reichen ebenso heimsuchte wie die Armen,

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