Der Kronrat (German Edition)
Nachricht abzusetzen.«
»Es ist unsere einzige Möglichkeit«, beharrte ich und wandte mich an den jungen Mann der Federn, der bei uns stand.
»Ihr versteht, wie wichtig diese Nachricht ist?«
»Ay, Ser, Lanzengeneral, Ser!«
Er schien mir viel zu jung, um schon ein Korporal zu sein, ein schlanker junger Mann mit Sommersprossen, feuerrotem Haar und wachen grauen Augen.
Ich sah hoch, dorthin, wo die langen Semaphorenarme im schwachen Wind schwankten.
»Dann los«, sagte ich, die Feder salutierte und eilte zu dem Turm, um über den geborstenen Bug durch ein Loch den Weg hineinzufinden. Dann sah ich ihn, wie er behände wie ein Affe die steilen Leitern höher und höher kletterte, bis ich ihn kaum mehr klar erkennen konnte.
»Seht«, sagte Wendis leise und wies auf das Erdgeschoss des Turms. Dort, an der linken Seite, wo die Wand nur noch zur Hälfte stand, trug der Wind grauen Staub davon, der aus den Ritzen kam. Während ich noch zusah, riss mit lautem Knall einer dieser massiven Steine, ein Eckstück flog heraus, als hätte man es mit dem Hammer ausgetrieben.
»Er hat einen Bruder, aber sonst keine weitere Familie«, erklärte Wendis leise, während die junge Feder sich über die letzte Plattform zog und aus unserer Sicht verschwand. »Er hat sich freiwillig gemeldet. Die anderen Federn, die noch dafür ausgebildet sind, haben Frau und Kinder.«
Dort oben begannen die langen Arme sich zu bewegen, während hier unten dieser graue Staub aufstieg. Serafine gesellte sich zu uns und sah zweifelnd in die Höhe.
»Der Turm beginnt sich zu drehen«, stellte sie dann leise fest. »Es wird jeden Moment geschehen. Wir sollten uns an einen anderen Ort begeben.« Sie maß die Höhe des Turms mit ihren Augen ab. »Wenn er fällt, ist er groß genug, um uns auch hier zu treffen.«
Ich sah den Sinn ihrer Worte nur widerwillig ein, doch auch Wendis nickte, also gingen wir zurück, suchten uns einen Platz nahe der Ecke des Zeughauses; sollten die Trümmer des Turms bis hierher fallen, blieb uns noch die Zeit, uns hinter der Ecke in Sicherheit zu bringen.
Als es dann geschah, geschah es schneller, als ich es mir hatte vorstellen können. Eine Wolke grauen Staubs stieg auf, dann wölbte sich der Rest der Wand nach aussen, um berstend einen Lidschlag später zu brechen. Der Turm drehte sich ein wenig und kippte dann zur Seite weg, während er zugleich in sich zusammenfiel. Und während er schon fiel, bewegte sich noch einer dieser Semaphorenarme.
Serafine sollte recht behalten, der Turm war groß genug, dass die Spitze noch bis ins Hafenbecken fiel, und er eines der gestrandeten Schiffe unter sich zerschlug.
Eine riesige Fontäne stieg im Hafenbecken auf, als die Spitze des Turms dort einschlug, Holz- und Steinsplitter flogen an uns vorbei, und ich schmeckte den grauen Staub zwischen meinen Zähnen.
Ich sah zum aufgewühlten Wasser hin, hoffte gegen jede Vernunft, dass es dem jungen Ser gelungen wäre zu überleben. Serafine presste meine Hand, ich sah zu ihr, sie schüttelte nur leicht den Kopf. »Ich kann ihn im Wasser fühlen«, flüsterte sie mir zu. »Er liegt unter Stein begraben.«
Eine ältere Feder trat an mich heran, es war derselbe Mann, der mir das letzte Mal geholfen hatte. Grauer Staub lag auf seinen Zügen und ließ es wie eine steinerene Maske wirken.
»Er hat den größten Teil der Nachricht senden können«, teilte er uns mit.
»Danke«, sagte ich, er sah mich lange an, dann nickte er, salutierte und machte auf dem Absatz kehrt.
»Wie hieß der Mann?«, fragte ich den Lanzenmajor.
»Aren, Ser«, sagte Wendis rau. »Sein Name war Aren.«
»Wenn wir die Einundzwanzigste noch schlagen können, ist es sein Verdienst gewesen.«
»Ay, Ser«, sagte Wendis bitter und salutierte. »Soltar kann es ihm ja sagen, wenn er vor ihm steht.«
Als wir in der Messe waren und das Abendessen zu uns nahmen, stießen auch Blix und Grenski zu uns. Hätte ich nicht von seiner Verwundung gewusst, so hätte ich sie nur schwer erahnen können, der Major schonte sich kaum.
Es war fast die sechste Glocke, ich war rechtschaffen müde und bereit, auch hier auf dem Tisch einzuschlafen, doch ich zwang mich, wach zu bleiben.
»Es gibt ein Problem«, sagte Blix und hob zwei Finger, um für sich und Grenski das Dünnbier zu bestellen. »Der Prinz wünscht nicht zu gehen, bevor er sicher ist, dass seine Stadt erwacht.« Er schüttelte den Kopf. »Er sagt, alles andere wäre feige.«
»Diese Aldanen und ihre Ehre«, fluchte ich
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