Der Kronrat (German Edition)
Orikes und erhob sich vom Tisch. »Hoheit, wenn Ihr mich begleiten wollt?«
»Was ist mit mir?«, fragte ich.
»Eure Anwesenheit, Lanzengeneral, wird nicht notwendig sein.« Er bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick. »Vielleicht solltet Ihr zum Tempel des Soltar gehen. Einer seiner Priester war heute hier und hat nach Euch gefragt.«
»Was wollte er?«, fragte ich.
»Euch sprechen. Um was es ging, wurde mir nicht berichtet.«
Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Seufzen. Ich mochte mich mittlerweile damit abgefunden haben, dass ich Soltar dienen musste, dennoch war ich nicht erpicht darauf, schon wieder einen Tempel zu betreten. Weder seinen noch einen der anderen Götter. Irgendwie zog ich dabei meist den Kürzeren.
»Wenn ich Zeit dazu finde«, log ich.
Orikes sah mich überrascht an. »Es ist Eure Entscheidung. Ich überbringe nur die Botschaft.«
Ich erhob mich vom Tisch und sah zu Leandra.
»Wir sehen uns später«, meinte sie mit einem unsicheren Lächeln.
»Ja«, sagte ich leise. »Später.«
Im Türrahmen schaute ich zurück. Selten hatte ich sie so verloren gesehen. Unsere Blicke trafen sich, doch ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte, also lächelte ich mit Mühe und zog die Tür hinter mir zu. Einen Moment stand ich dort und fragte mich, wie lange es schmerzen würde, dann hob ich das Kinn und straffte die Schultern. Hier gab es wenige Orte, an denen einem niemand zusah, und obwohl die Wachen so taten, als schauten sie nur geradeaus, gab es keinen Grund, ihnen weiterhin ein Schauspiel zu bieten.
Ich ging zurück zu unseren Gemächern und klopfte an die Tür der Seras. Sieglinde öffnete und begrüßte mich mit einem Lächeln, das ich in den letzten Tagen arg an ihr vermisst hatte. Es mochte ein magischer Bann gewesen sein, der sie und Janos zusammengebracht hatte, aber als sie ihn noch für tot gehalten hatte, war sie so traurig gewesen, dass ich keinen Zweifel an ihrer wahrhaftigen Liebe hegte.
Dieses Lächeln machte sie weicher und erinnerte mich mehr an die Wirtshaustochter, die ich kennengelernt hatte. Die Härte, die sie zuvor gezeigt hatte, passte nicht zu ihr.
Wie bei allen Gemächern unter dem Dach der Zitadelle öffnete sich die Tür in einen kleinen Salon, in dem Tische, Stühle und eine Anrichte standen. Dort fand ich zu meiner Überraschung die Eule Desina vor, die sich mit Serafine unterhielt und sich nun spontan an mich wandte.
»Es fehlt einfach die Zeit, sich gründlich zu unterhalten«, meinte sie, »aber Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie hilfreich es ist, mit jemandem zu sprechen, der das Alte Reich persönlich erlebt hat.« Sie sah zu Serafine. »Wir müssen uns noch weiter unterhalten, Helis, das ist sicher!«
»Ihr bekommt wohl nie genug«, meinte Serafine lächelnd. »Auf jede Antwort folgen gleich drei neue Fragen.«
»Nur wer fragt, erfährt etwas«, meinte die Prima und sah in diesem Moment weitaus jünger aus, als sie war. »Wollt Ihr sie mir entführen, General?«
»Nicht ohne sie zu fragen. Sie würde sich sonst wehren.« Ich zog mir einen Stuhl heran, während mir Sieglinde mit einem Lächeln einen Kafje einschenkte, etwas, das sie früher gern getan hatte, aber auch in den letzten Tagen zunehmend unterließ. Sehr viel hatte ich mit Sieglinde nicht mehr zu tun, aber ich gab gern zu, dass ich vermisst hatte, sie so zu sehen. Janos konnte sich glücklich schätzen, dachte ich und spürte einen Stich.
»Leandra und Orikes sind in einer Audienz beim Kommandanten. Für mich hat man im Moment keine Verwendung«, teilte ich den Seras mit. »Helis, wir könnten uns die Stadt anschauen.«
Serafine nickte. »Ich komme gern mit.«
»Gut«, sagte Desina daraufhin. »Ansonsten hätte ich Euch noch mehr belästigt.« Sie erhob sich mit dem Ungestüm eines jungen Fohlens vom Tisch. »Der Götter Segen mit Euch allen.« Damit war sie auch schon aus der Tür.
»Ich frage mich, ob sie immer so ist«, sagte Serafine schmunzelnd, als wir die Zitadelle verließen.
»Wer? Die Eule?«, fragte ich.
»Ja, sie.«
»Nein, ich glaube nicht«, antwortete ich. »Ich habe gehört, sie brütet tagelang über alten Texten, dafür braucht es eine große Disziplin. Sie kann sich selten so unterhalten.«
»Havald«, meinte Serafine. »Sie ist kaum älter als Helis.«
»Das vergisst man leicht«, stellte ich fest. »Du hast deine Jugend zurückbekommen, ohne dass du es bereuen musst oder dich das Gewissen plagt. Aber ich vergesse es ständig, denn du wirkst nicht
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