Der Kruzifix-Killer
Hunderennen?«
»Ich kann Ihnen nicht sagen, warum jetzt oder warum ausgerechnet Hunderennen, aber der logische Schluss aus diesen Spielchen ist, dass er sich die Schuld mit jemandem teilen will.«
»Was? Ist das Ihr Ernst?«, fragte der Captain ungläubig.
»Es ist ein psychologisches Spiel, Captain. Er will die Schuld mit jemandem teilen, in dem Fall mit mir. Er will mir das Gefühl geben, ich hätte beim Tod des Opfers die Hand im Spiel gehabt, indem ich ihm nicht den Sieger nennen konnte – und dadurch bin ich genauso schuldig wie er.«
Captain Bolter wandte sich wieder zu den beiden Detectives um. »Soll das heißen, dass diesen Kerl aus heiterem Himmel Schuldgefühle plagen? Verspürt er jetzt auf einmal Reue?« Captain Bolters Gereiztheit war nicht zu überhören.
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Na, Sie sind doch der mit dem Superhirn.«
»Es wäre eine Möglichkeit, wer weiß?«, sagte Hunter nach einer kurzen Pause. »Bei allen vorhergehenden Morden war es immer nur der Killer gegen das Opfer. Kein Dritter, der irgendwie hätte eingreifen können. Der Killer traf die Entscheidung zu töten – er ganz allein. Indem er mich jetzt auf einen Hund wetten lässt, holt er mich mit ins Boot. Damit liegt die Entscheidung zu töten – jedenfalls nach der Logik des Killers – nicht mehr bei ihm. Sondern bei mir.«
»So, als hättest du ihm befohlen, es zu tun?«, fragte Garcia nach.
»Ja«, sagte Hunter mit einem Nicken. »Und weil die Entscheidung zu töten nicht mehr allein seine ist …«
»Fühlt er sich weniger schuldig«, vervollständigte Captain Bolter den Gedanken.
»Vielleicht hofft er auch, dadurch die Frustration bei uns zu steigern und die Ermittlungen zu verlangsamen«, fuhr Hunter fort.
»Meinen Frust hat er jedenfalls maßlos gesteigert«, gab Bolter zurück.
»Aber vielleicht spielt er dieses Spiel auch einfach nur aus Jux.«
Captain Bolter schüttelte den Kopf. »Auf jeden Fall macht er mit uns, was er will.«
»Sieht so aus, als ob er das schon eine ganze Weile tut, Captain«, sagte Garcia – und bereute es augenblicklich.
Der Captain sah ihn drohend an wie ein hungriger Rottweiler. »Haben Sie das erste Opfer schon identifiziert?«, fragte er.
»Noch nicht, Captain. Aber wir nehmen uns am Freitag jemanden vor, der uns vielleicht dabei helfen kann.«
»Allzu schnell geht das ja nicht voran, oder?«
»Es geht so schnell, wie es eben geht«, gab Hunter zurück. Diesmal war er es, dem man die Gereiztheit anhörte.
»Hoffen wir, dass diese Spur zu etwas Konkretem führt. Das Ganze entwickelt sich allmählich zu einem gottverdammten Zirkus. Und ich hasse Zirkus.«
Hunter konnte Bolters Wut gut nachvollziehen. Es war dieselbe wie die, die er selbst nur mühsam unter Verschluss hielt. Sie wussten, dass der Killer ein weiteres Opfer in seiner Gewalt hatte und töten würde, aber sie wussten nicht, wann, sie wussten nicht, wo, und sie wussten nicht, wen. Sie spielten ein Spiel, das sie nur verlieren konnten. Das Einzige, was ihnen zu tun blieb, war, auf den nächsten Anruf zu warten.
25
H unter erreichte die Weyburn Street um Punkt ein Uhr. Auf der Straße wimmelte es von Studenten auf der Suche nach dem besten Angebot für ein günstiges Mittagessen. Hamburger-Restaurants und Pizza-Buden schienen die bevorzugten Ziele zu sein. Es dauerte nicht lange, bis er auf das Pancetta stieß, ein kleines Lokal zwischen einem Pizza-Hut und einem Schreibwarenladen.
Der Eingang war ansprechend mit Grünpflanzen und bunten Blumen in Rot-Grün-Weiß geschmückt. Der Innenraum war nicht sehr groß und eingerichtet wie eine Trattoria. Die quadratischen Holztische waren mit rotweiß karierten Tischtüchern bedeckt. Die Gäste empfing ein würziger, aber angenehmer Duft nach Käse, geräuchertem Schinken und Salami.
Hunter wartete einen Augenblick am Eingang und beobachtete die Kellner, die sich flink zwischen den Tischen hin und her bewegten. Er suchte mit den Augen den Raum ab, doch Isabella war noch nicht da. Ein Ober führte ihn an einen Ecktisch vor einem offenen Fenster. Während er das Restaurant durchquerte, folgten ihm die Blicke zweier Frauen, beide kaum älter als fünfundzwanzig. Hunter konnte es sich nicht verkneifen, das Kompliment mit einem selbstsicheren Lächeln zu erwidern, was wiederum ein verschämtes Kichern und ein kokettes Augenzwinkern der Dunkelhaarigen hervorrief.
Er hängte seine Jacke über die Stuhllehne und setzte sich so, dass er die Eingangstür im Blick
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