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Der kuerzeste Tag des Jahres

Der kuerzeste Tag des Jahres

Titel: Der kuerzeste Tag des Jahres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Dubosarsky
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für keine Sekunde daran, dass Samuel etwas zugestoßen sein könnte. Sich vorzustellen, er hätte jedes Mal die Polizei alarmiert, nur weil Pearl zu spät nach Hause kam! Andererseits, so betrachtet, hätte sie sich womöglich nie mit Elkanah eingelassen …
    »Hab ich dir doch erzählt, Opa«, sagte Theodora und stupste ihn mit einer ausgestreckten Zehe am Fußknöchel an. »Randolph Butcher. Mums Freund, den sie im Supermarkt kennengelernt hat.«
    »Ach, was mach ich hier bloß?« Hannah hatte nach dem Telefonbuch gegriffen, nur um es gleich darauf verzweifelt von sich zu werfen. »Die Polizei hat drei Mal die Null, richtig?« Sie begann zu wählen.
    »Randolph Butcher«, wiederholte Rhody, mit einem Seitenblick auf Elkanah.
    »Er hatte schon mit zweiundzwanzig Jahren eine Vollglatze«, fuhr Theodora fort. »Ist doch erstaunlich, oder? Man nennt das Alopezie.«
    »Höchst erstaunlich, Pinocchio, altes Haus«, sagte Rhody, während er sich mit einem Hopser auf das Sofa niederließ.
    »Gut«, sagte Hannah ins Telefon. »Ja, verstehe, das stimmt. Okay.«
    Sie drehte sich zu ihnen um, von plötzlichem Tatendrang erfüllt. »Rhody, würde es dir was ausmachen, ein Weilchen auf Theodora aufzupassen? Elkanah, wir fahren zur Polizeistation.«
    »Kein Problem, kein Problem«, stimmte Rhody großmütig zu. »Ist irgendwo Whisky angebrochen?«
    »Sie haben gesagt, wir sollen Fotos mitbringen.« Hannah schnappte sich ihre Handtasche und stürmte nach oben, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
    Elkanah schlüpfte in seine Jacke, beugte sich vor und gab Theodora einen Kuss. Er weigerte sich, Rhody auch nur eines Blickes zu würdigen, geschweige denn, ihn anzusprechen.
    »Dürfte nicht lange dauern, Schatz. Wenn Samuel eintrudelt, verpasst du ihm in meinem Namen einen Anschiss, okay, weil er seine arme Mutter so erschreckt hat?«
    Hannah kam die Treppen herabgestolpert, ein Fotoalbum unterm Arm.
    »Dank dir, Rhody«, sagte sie, während sie Theodora rasch umarmte. »Was Essen und Trinken angeht, bedien dich einfach.«
    »Kein Problem.« Rhody ließ sich gemütlich tiefer ins Sofa sinken.
    Hannah und Elkanah verließen das Haus mit einem Knall. Der Wagen startete durch wie ein aufstampfendes Wildpferd, mit einem ungezügelten, kraftvollen Durchdrehen des Motors. Rhody ging gemächlich zum Sideboard und goss sich etwas zu trinken ein.
    »So, Pinocchio«, sagte er und nahm einen guten, wenn auch nicht gesunden großen Schluck. Er tippte Theodora gegen den Arm und deutete in Richtung des ausgeschalteten Fernsehers. »Wo ist die Fernbedienung?«
    Kapitel 13
    Samoa
    »Samuel! Samuel! Hörst du mich?«
    Samuel rieb sich die Augen. Die Stimme klang nah und gleichzeitig weit, so unglaublich weit entfernt.
    »Hörst du mich, Samuel? Verstehst du, was ich sage?«
    Sein Großvater sah ihn bedeutungsvoll an. Da war etwas Wichtiges, etwas, das er erklärte. Warum bloß konnte Samuel sich nicht wach halten und ihm folgen? Er hatte das Gefühl, zunehmend schneller eine steile, steile Rutsche hinabzuschlittern, und sich dabei immer weiter zu entfernen.
    Sie standen auf dem Parkplatz vor einem McDonald’s. Eine ewig grinsende, ziemlich fies wirkende Statue von Ronald McDonald saß draußen auf einer Bank. Kleine Kinder kletterten darauf herum.
    »Essen wir jetzt was?« Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. »Ich hätte gern einen Vanille-Milchshake.«
    »Vanille«, stimmte Elias mit einem Seufzer zu.
    Samuel stieg aus dem Wagen, ließ den süßlichen Geruch neuen Plastiks hinter sich und folgte seinem Großvater ins McDonald’s, das ihn mit eigenen neuen, süßlichen Plastikgerüchen empfing. Es schien sehr hell darin, Kundschaft drängte sich, aber alles blieb eigenartig leise. Etwas stimmt mit mir nicht, dachte Samuel, etwas stimmt ganz und gar nicht. Ich fühle mich, als würde ich unter Wasser im Ozean treiben.
    Elias brachte ihn zu einem Tisch und ging die Bestellung aufgeben. Für einen Moment schlief Samuel ein – war es nur ein Moment? Mit einem Schreck, als schlüge eine Welle eisigen Wassers über seinem Kopf zusammen, wachte er auf. Elias war mit einem Tablett zurückgekehrt und stellte einen Hamburger und eine Tasse vor ihm ab.
    »Samuel? Was ist los? Alles in Ordnung?«
    Elias klang besorgt. Samuel hasste es, wenn Menschen sich seinetwegen Sorgen machten. Er nahm einen Schluck von seinem Vanilleshake, dann nickte er erleichtert.
    »Mir geht’s gut«, sagte er. »Bin bloß etwas müde.«
    »Ich erkläre dir nochmals, was genau ich

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