Der Kugelfaenger
ab.
Tom reibt sich über seine müden Augen. „Ein wenig.“
„Dann geben Sie mir das Telefon zurück, damit ich etwas bestellen kann.“
***
„Mmm. Lecker“, sagt Tom, als er betrachtet, was der Zimmerservice zum Abendessen gebracht hat.
Evelyn setzt sich auf eines der beiden Sofas. „Für Pizza könnte ich sterben.“
Tom rückt seinen Bademantel zurecht und greift nach der Weinflasche. „Wein?“
„Gerne.“
Während Tom mit der Flasche beschäftigt ist, fällt Evelyns Blick auf seine Füße.
„Wo haben Sie denn die Hausschuhe her?“, wundert sie sich.
Tom stellt die Weinflasche ab und blickt auf seine Füße, die in warmen Frotteeschlappen stecken. „Die habe ich in meinem Schrank gefunden“, sagt er. „Neben dem Bademantel.“
„Ach?“ Evelyn zieht eine Augenbraue hoch. „In meinem Schrank waren keine Schlappen.“
„Sie können meine haben“, bietet Tom ihr großzügig an.
„Nein, vielen Dank“, wehrt Evelyn ab. „Ich laufe gerne barfuß.“
Dann widmen sie sich dem Abendessen, das in Form von Pizza auf ihren Tellern liegt.
Nach einer Weile meint Tom: „Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“
Evelyn hat ein Stück Pizza in die Hand genommen und beißt genüsslich davon ab. „Nur zu. Fragen Sie was Sie wollen“, sagt sie mit vollem Mund. „Außer es geht darum, ob ich als Model überhaupt Pizza essen darf, wo ich doch strengstens Diät halten sollte. In diesem Fall würde ich Ihnen an die Gurgel gehen, Tom. Sonst können Sie alles fragen.“
„Na schön. Kann ich Ihnen Fragen über Ihren Onkel stellen?“ Die Überraschung in ihren Augen – oder ist es Entsetzen? – nötigt ihn zu einer Erklärung. „Sehen Sie, ich weiß etwas über Sie, ich weiß auch was über Ihre Tante – nur über Ihren Onkel weiß ich eigentlich gar nichts.“
„Warum müssen Sie denn was über ihn wissen?“
Gute Frage
. „Einfach so.“
Sie sieht ihn einen Moment an. „Na gut.“
„Ist das wirklich kein Problem für Sie, Evelyn?“ Er scheint ein wenig besorgt zu sein.
„Nein, wirklich nicht. Wenn Sie mir zu neugierig werden, weise ich Sie darauf hin.“
Er überlegt einen Moment. Dann meint er zwischen einem Bissen Pizza und einem Schluck Wein: „Henry war also Journalist. So viel habe ich mitbekommen. Für welche Zeitung hat er geschrieben?“
„Er war freier Journalist, hat hier und dort was geschrieben.“ Sie rutscht auf der Couch ein Stückchen vor. „Früher, als ich noch klein war, war er bei der
Times
fest angestellt. Aber im laufe der Jahre, wurde ihm das zunehmend zu … blöd. Er wollte Artikel schreiben, für die er sich interessierte und nicht solche, die man ihm aufdrückte. Aber erst nachdem ich schon älter war, ließ er sich auf das Risiko ein, sich seine zukünftigen Artikel selbstständig an Land zu ziehen. Er war … nun ja … nicht allzu erfolgreich damit. Nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Die ganz große Story ist leider ausgeblieben. Aber das Geld hat gereicht, um eine Familie zu ernähren.“
Tom nimmt einen kräftigen Schluck Rotwein und wagt sich auf schwammigeres Terrain vor. „Sie sagten, er sei ertrunken. Wie konnte das passieren?“ Er kommt sich selbst vor wie ein Reporter.
Sie lächelt und verzieht das Gesicht, so als hätte sie Schmerzen. „Das geht schneller, als man denkt“, sagt sie. Nach einer Weile fährt sie fort. „Es war Freitag, der 8. Juni. Er war auf einer Geburtstagsparty eines Freundes eingeladen. Man erzählte mir später, dass es ein toller und lustiger Abend war, mit allen möglichen alten Geschichten. Er und sein Kumpel waren also ziemlich betrunken, als sie den Pub verlassen haben. Sie haben sich ein Taxi gerufen, um zurückzufahren. Auf einmal kam mein Onkel auf die Idee, noch ein Stückchen an der Themse spazieren zu gehen und ist aus dem Taxi gestiegen. Sein Freund sagte mir später, er hätte noch versucht, ihn davon abzuhalten, so gut das eben in betrunkenem Zustand geht, aber er habe sich davon nicht abbringen lassen.“ Sie schüttelt bekümmert den Kopf, so als könnte sie das selbst alles nicht glauben. „Den Rest kann man nur vermuten. Er fiel rein, konnte sich natürlich nicht über Wasser halten und ist ertrunken.“
Obwohl das alles für Tom nicht überraschend ist, ist er trotzdem leicht entsetzt.
Evelyn schüttelt noch einmal den Kopf und blickt nachdenklich drein. „Einfach nur unvernünftig. Alt und unvernünftig.“
***
Gegen dreiundzwanzig Uhr klingelt Toms Handy. Sein kleines
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