Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
Werk?«
» Sein Leben lang schon strebt der Seher danach, über die physische Welt hinauszugelangen und den Pfad zum spirituellen Reich zu finden. Er hat schon vielen dabei geholfen, auf die Astralebene zu gelangen, und bald …« Zara hielt abrupt inne und sah zu Boden, als hätte sie bereits zu viel gesagt. » Der Seher allein kann dir vom Großen Werk berichten. An Esbat wirst du alles besser verstehen.« Als Zara sie im großen Saal herumführte, hörten alle auf zu arbeiten und sahen sie an. » Gefällt es dir?«, fragte Zara und deutete auf ein drei Meter hohes Blumengesteck über dem Podium am anderen Ende des Saals: Zwei Säulen aus violetten Blumen trafen sich in einem Bogen aus weißen und gelben Blüten.
» Es ist wunderschön«, sagte Sorcha. » Hat es eine Bedeutung?«
Bevor Zara antworten konnte, trat die Frau mit dem geflochtenen grauen Haar und den Creolohrringen, die Sorcha auf der Willkommensfeier gesehen hatte, vor und umarmte sie. » Sorcha, ich bin so froh dich wiederzusehen.« Sie roch nach Lavendel und hatte einen indigofarbenen Punkt auf der Stirn, doch trug sie keine der Roben, die eine gewisse Macht- und Vertrauensposition in der Familie kennzeichneten.
» Denke daran, was der Seher uns gesagt hat, Eve«, bemerkte Zara knapp und versuchte Sorcha fortzuziehen. » Sie hat ihr Gedächtnis verloren. Sie weiß nicht, wer du bist.«
Doch die Frau ignorierte Zara, umarmte Sorcha noch fester und sah ihr tief in die Augen. » Ich heiße Eve. Ich kannte deine Mutter von früher, damals, als die Indigo-Familie noch in Kalifornien lebte. Wir waren Freunde.« Sie kam mit ihrem Gesicht so nah an Sorchas heran, dass diese das Metall der Ohrringe an ihrer Wange spürte. Dann flüsterte die Frau so schnell und dringlich in ihr Ohr, dass Sorcha sich nicht einmal ganz sicher war, sie überhaupt gehört zu haben: » Sei vorsichtig. Vertraue niemandem.« Die Frau trat einen Schritt zurück, als wäre nichts geschehen. » Willkommen zu Hause.«
Bevor Sorcha etwas erwidern konnte, hatte Zara sie schon fortgezogen. » Komm«, sagte sie, » lass uns an die frische Luft gehen.« Als sie hinausgingen, warnte Zara: » Du solltest dich von Eve fernhalten. Sie macht bloß Ärger.«
Sorcha drehte sich noch einmal zu der Frau um. » Wer ist sie?«
» Eve ist eine der Gründungsmitglieder der Indigo-Familie. Die Alten halten sich für etwas Besonderes, weil sie schon länger dabei sind als der Seher«, erklärte Zara ihr. » Ständig erzählen sie, dass früher alles besser gewesen wäre. Aber das war es nicht. Sie sind verwirrt und haben vergessen, wo sie hingehören.«
Sorcha hatte nicht den Eindruck, dass Eve verwirrt gewesen war, und sie überlegte, was sie von ihrer Warnung halten sollte. Wieso sollte sie vorsichtig sein? Wem sollte sie nicht vertrauen? Als sie die Scheune verließen, sah sie, wie Männer den Weg, der zum Turm hinüberführte, mit Fackeln säumten. Zielstrebig lief sie dorthin.
» Wo willst du hin?«, rief Zara.
Sorcha zeigte nach oben. » Der Turm ist eins der wenigen Dinge, an die ich mich erinnern kann. Wo ist der Eingang?«
» Es gibt zwei. Einen am Ende von diesem Weg, der andere ist ein Gang, der ihn mit dem Haus des Sehers verbindet. Sie sind beide verschlossen. Du brauchst die Erlaubnis des Sehers, um das Observatorium zu betreten, und nur wenige Auserwählte sind dazu berufen.« Der Stolz in Zaras Stimme verriet, dass sie eindeutig zu diesen Auserwählten gehörte. Sorcha vermutete, dass auch sie selbst in der Vergangenheit mindestens einmal im Turm gewesen war.
» Das Observatorium?«
» Dort arbeitet der Seher an seinem Großen Werk.«
» Was heißt das? Was ist da drin?«
Zara streichelte unbewusst über ihren Bauch, und ein geheimnisvolles Lächeln kräuselte ihre Lippen. » Es ist niemandem gestattet darüber zu sprechen, was einem dort widerfährt.«
Allmählich wurde Sorcha bewusst, dass man ihr nicht nur ihre Erinnerungen vorenthielt. Sie brauchte Zeit für sich, um zu überlegen, was sie tun sollte – und um über Eves Warnung nachzudenken. In diesem Moment ertönte eine Glocke. Mit Pavlovscher Unmittelbarkeit ließen die Menschen um sie herum alles stehen und liegen und strömten zu einer Scheune hinter dem großen Saal. » Mittagessen«, sagte Zara. » Komm, gehen wir in den Speisesaal.«
» Ist schon in Ordnung, ich bin nicht hungrig.«
Zara sah sie stirnrunzelnd an. » Aber das ist die Glocke zum Mittagessen. Du musst essen, wenn die Glocke läutet.«
» Geh
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