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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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erfolgreiche Theaterproduktionen von Förderung ausschließt. Es treibt Theaterleute mithin dazu, die Nachfrage bewusst zu ignorieren. Denn Förderung, das lehrt die Praxis des Förderns, ist bei aller Mittelknappheit ein zuverlässigerer Strom an Mitteln als der Erfolg, der immer wieder erkämpft sein muss. Die Videastin Pipilotti Rist kommentierte diesen Mechanismus einmal so: »Künstler, die auf staatliche Unterstützung spekulieren, schlaffen ab.« 72 Impotenz muss also verbreitet sein.
    72 Die Weltwoche, 10/2011.
    Kulturwirtschaft ist vom Kulturinfarkt nicht gefährdet. Viele Menschen verdienen gutes Geld. Dazu müssen sie sich bewegen. Wie überall gibt es erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen. Es wird hier nichts verschenkt. Veränderungen, falsche Entscheidungen, persönliche Umstände können jederzeit unternehmerische Erfolge gefährden. Die Digitalisierung etwa bringt im ganzen Feld, von der Musikwirtschaft bis zum Buchhandel, von der Werbebranche bis zur Filmwirtschaft, neue Risiken und neue Chancen mit sich. Nicht jeder Kulturunternehmer ist da erfolgreich.
    Die Debatte um die Kulturwirtschaft hat neue Aufmerksamkeit auf die Einkommens- und Lebensbedingungen der Menschen gerichtet, die sich im künstlerischen oder kunstnahen Beruf in den kulturwirtschaftlichen Märkten bewegen. In der kleinen Kulturwirtschaft, wie sie genannt wird, gibt es neben strahlenden Erfolgsgeschichten auch viele »Kreative«, denen noch nicht gelang, ein neues Microsoft zu gründen, die am Anfang einer künstlerischen – »kreativen« – Karriere stehen, die trotz langer Erfahrung im Beruf nicht strahlend erfolgreich sind. Es sind dies Menschen meist mit großen Qualifikationen, aber kleinen Einkommen. Wir sprechen von der Mehrzahl der Selbstständigen in der Kreativwirtschaft. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind hier oft nicht einfach. Auf die Mischung von Selbstständigkeit und niedrigem Einkommen sind die Sozialstaaten nicht eingestellt. So etwas findet sich nicht nur bei den Kreativen. Aber dort überdurchschnittlich oft. Die kleine Kreativwirtschaft ist ein Pionier neuer Formen der Teilnahme am wirtschaftlichen Leben in Deutschland. Die Verhältnisse sind hier radikal anders als in der institutionellen, geförderten Kultur mit ihren Tarifgehältern, ihrem Kündigungsschutz, ihrer Bestandsgarantie.
    Empirisch zureichend dokumentiert ist das Leben dieser »kleinen Kreativwirtschaft« nicht. Die amtliche Statistik hilft nicht weiter. Aber aus anderen Quellen wird deutlich: Bei aller Dynamik der Kulturwirtschaft, bei allen Wachstumshoffnungen für den Sektor gibt es unterhalb der schönen Zahlen ein – darf man das so sagen? – »kreatives Proletariat«, mit einer offenen Flanke zu einem »kreativen Prekariat«. Man trägt zwar keine Ketten mehr, hat aber doch viel zu verlieren: Für viele Kreative wird der biografische Preis hoch sein für die Freiheit, einige Jahre im kreativen Beruf und frei gearbeitet zu haben. Er ist zu zahlen, wenn in einer mittleren Lebensphase die Belastbarkeit und Energie nicht mehr reichen, um mit höchstem Aufwand in der ständigen Unsicherheit von Projekten zu arbeiten. Noch höher ist der Preis, wenn aus der Einkommensarmut in den Berufsjahren die Altersarmut am Lebensabend folgt.
    Man kann so die öffentliche Debatte um Kulturwirtschaft auch andersherum lesen: An ihr wird deutlich, dass in den kulturnahen Berufsfeldern die Chancen sehr ungleich verteilt sind. Das, was durch öffentliche Förderung institutionell gesichert ist, bietet Anschluss und gutes Geld. Die Kulturinitiativen aus der heroischen Zeit von »Kultur für alle«, die soziokulturellen Initiativen und Zentren, haben ein deutlich niedrigeres Einkommensniveau, sind aber meist institutionell noch recht gut abgesichert. Eine neue Generation kommt an die Fördertöpfe der etablierten Kultur nicht mehr heran. Die »unverzichtbare« öffentlich geförderte kulturelle Infrastruktur ist am Ende ihrer Dynamik. Jüngere Generationen sind auf die Kulturwirtschaft verwiesen, sie sind im Markt schon angekommen, bevor sie begonnen haben. Es existiert eine Spannung zwischen den Generationen: wer sich mehr im Markt bewegen muss und wer es sich auf der Fördercouch gemütlich gemacht hat. Die frischen Kräfte tummeln sich also draußen. Dort, von wo einmal mehr die Erneuerung kommen wird. Die innen beschworen wird, aber gefürchtet ist.
    Das Verhängnis der wirtschaftlichen Argumentation
    Zieht man die Bilanz einer

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