Der Kunstreiter
durchschwere Gardinen abgeschiedene Räumlichkeiten bildeten traulich gemütliche Plätzchen, in denen sich ein paar Zecher hübsch abgesondert von den übrigen halten konnten.
Von Zühbig war aber gesellschaftlicher Natur; er gehörte zu den Persönlichkeiten, die ein stilles, zurückgezogenes Familienleben nur dem Namen nach kennen – wenigstens davon gehört hatten, wenn sie auch nicht daran glaubten, und eigentlich nur, wie der Jäger sagt, »in Rudeln« gefunden werden. Morgens war er in seinem Bureau oder auf der Promenade, bei schlechtem Wetter im Café oder Delikatessenkeller, nachmittags hier oder da mit Freunden zusammen, und abends im Theater oder beim Whist. Aus diesem Grunde verschmähte er auch die kleinen abgeschiedenen Lokale, nannte sie »Gefangenenzellen« und protegierte den langen Gesellschaftstisch, an dem er hoffen durfte mit Gleichgesinnten zusammen zu treffen.
Heute hatte er übrigens dazu eine ungünstige Zeit gewählt. Es war noch früh oder schon zu spät für die gewöhnlichen Gäste, und von Zühbig befand sich hinter einem Glas altem Madeira und einem Teller mit Kaviar ganz allein und keineswegs so gemütlich, wie er es erwartet haben mochte. Vergebens hatte er auch, in einer Art von Instinkt, dann und wann nach den Fenstern geschaut, ob nicht etwa Ankömmlinge sein Los erleichtern wollten. Die Fenster waren nämlich bloß Imitation von wirklichen, tatsächlichen Lichtverbreitern; sie bestanden aus Spiegelglas und warfen ihm stets nur sein eigenes unzufriedenes Bild zurück.
»Garçon!« rief Herr von Zühbig.
»Zu Befehl, Ew. Gnaden.«
»Der Madeira ist heute abominabel – der muß auf einem Heringsfaß gelegen haben.«
»Bitte tausendmal um Verzeihung, Ew. Gnaden – er hat in Flaschen dreimal die Linie passiert.«
»So? – in der Tat? dann ist er oder ich jetzt an der andern Seite vom Äquator – aber Sie sprechen wahrscheinlich von dem Kaviar. Der schmeckt wirklich so, als ob er dreimal die Linie passiert haben könnte. Er ist ganz ranzig.«
»Der beste russische, der nur zu bekommen war.«
»Ein hartes Brötchen haben Sie mir auch dazu gegeben, und die Zitrone hier hat wahrscheinlich eine ägyptische Mumie einige tausend Jahre zur Verzierung in der Hand gehalten. Mit solchen Waren ist es kein Wunder, daß die Gäste ausbleiben, und ich scheine hier alsletzter der Mohikaner die Reste zu verzehren. Fürchten Sie sich nicht, den Keller hier so allein zu bewohnen?«
Der Kellner lächelte verlegen, und Herr von Zühbig trank seinen Madeira aus und schob das Glas von sich.
»Geben Sie mir noch einen Schnitt, aber aus einer andern Flasche; ich fürchte, diese ist aus Versehen irgendwo zurückgeblieben, als ihre Kameraden auf Reisen gingen.«
»Herr von Zühbig – richtig wie ich gehofft,« sagte in diesem Augenblicke eine feine Stimme, und durch die halbgeöffnete Tür schaute das vergnügte Gesicht des Baron Silberglanz, während er jetzt ins Zimmer glitt und, von dem Kellner unterstützt, Hut und Paletot ablegte.
»Wirklich noch ein Mensch!« rief der Intendant. »Mein guter Baron, Sie sind wohl auf einer Entdeckungsreise begriffen, mich, als einen Verschollenen, irgendwo an den unwirtlichen Ufern des Eismeeres aufzusuchen. Sie kommen zur rechten Zeit – eine Hundekälte herrscht überhaupt hier, und ich habe mich in Ermangelung eines Bessern die letzte Zeit über schon mit Fischeiern und Tran, welchen jener junge scherzhafte Mensch Madeira nennt, ernähren müssen.«
»Ich habe Sie in der Tat gesucht, bester Intendant,« sagte der Baron, indem er sich neben Herrn von Zühbig niederließ. – »Garçon, mir auch von diesen Fischeiern und Tran – und war schon auf Ihrem Bureau, um Sie dort zu finden.«
»Aus reiner Anhänglichkeit oder aus einem andern Grunde?«
»Beides – zuerst wollte ich mich erkundigen, wie Ihnen die Fahrt bekommen ist.«
»Vortrefflich, wie Sie sehen; ich habe sogar eine so robuste Konstitution mitgebracht, daß ich imstande bin, die Kost hier zu vertragen. Darüber also beruhigt, mit was kann ich Ihnen weiter dienen?«
»Ja, mein bester Herr von Zühbig – Sie – Sie wissen doch, daß ich Sie schon früher gebeten hatte, mir sicher für die neue Oper eine Loge reservieren zu lassen?«
»Allerdings.«
»Das wollte ich Ihnen gern noch einmal ans Herz legen, daß Sie es ja nicht vergäßen. Ich habe es einer befreundeten Familie fest versprochen und möchte nicht wortbrüchig werden.«
»Das ist allerdings viel Aufopferung,« versicherte
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