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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Fräulein von Zahbern, und selbst ein minder herzliches Entgegenkommen, als sie mitbrachte, konnte sie nicht davon zurückschrecken. War Offenheit dabei eine hervorragende Eigenschaft ihres Charakters, so empfand sie für Melanie eine tief innige Freundschaft. Sie gestand ihr, daß sie den Augenblick ordentlich herbeisehne, in dem sie wieder in ihre Arme fliegen könne, und Melanie müsse ihr es ordentlich angetan haben, denn sie wäre nicht imstande, vor ihr auch nur das geringste, was auf ihrem Herzen läge, geheim zu halten. Melanie selber, viel zu gutmütig und zartfühlend, jemanden, der ihr so herzlich entgegenkam, von sich abzustoßen, duldete diese Freundschaftsbezeugungen mehr, als sie dieselben erwiderte. Ihr Geheimnis behielt sie aber, und trotz der jungen Dame direkten und indirekten Anspielungen darauf, für sich, und Franziska von Zahbern fand es bei späteren Besuchen im Zühbigschen Hause eben noch so unerklärlich, weshalb Melanie total mit dem Grafen Geyerstein gebrochen habe, wie früher. Daß dem aber wirklich so sei, ließ sich nicht verkennen, und sooft Fräulein von Zahbern den Grafen Selikoff bei Ralphens traf, ebensooft kehrte sie auch mit vermehrter Verachtung gegen das Menschengeschlecht im allgemeinen und einzelne Individuen insbesondere in ihre eigene stille und einsame Wohnung zurück.
    In diese Zelt fiel es, daß Herr von Zühbig seinen Ausflug nach dem Norden machen mußte, wohin ihn seine Frau begleiten sollte. Frau von Zühbig hatte dazu allerdings nicht die geringste Lust, würde ihrem Manne aber doch dieses Opfer gebracht haben, wenn nicht gerade ein heftiges Nervenleiden einen Tag vor seiner Abreise sie an ihr Lager gefesselt hätte. Herr von Zühbig mußte deshalb allein fort; aber auch hierüber, schien er sich zu trösten, da ihm noch dazu vonanderer Seite die höchste Aufmunterung zuteil ward. Seine Königliche Hoheit hatten nämlich geruht, ihm noch einige spezielle Aufträge – allerdings höchst unbedeutender Art, aber doch Aufträge – zu erteilen, und er verließ seine Heimat genau mit einem solchen Gesicht und solchen Gefühlen, mit denen ein anderer an seiner Stelle zurückgekehrt wäre. Herr von Zühbig war aber nicht allein Mensch, er war auch Kavalier, und es ist einmal nicht kavaliermäßig, irgendein Gefühl des Schmerzes oder der Niedergeschlagenheit – ausgenommen bei Hoftrauer – dem Publikum zu verraten.
    Frau von Zühbig erholte sich glücklicherweise gleich nach ihres Gatten Abreise so vollkommen wieder, um ihre gewöhnlichen Whistpartien mit Herrn von Silberglanz und Fräulein von Zahbern ohne Zögern aufnehmen zu können, und da kein Rückfall erfolgte, befand sie sich auch während ihres Gatten Abwesenheit vollkommen wohl, ja, wie sie erklärte, wohler als je. Die Heilung aber selber verdankte sie niemandem weiter als dem Baron von Silberglanz, der nicht unbedeutende magnetische Kraft besaß und dieselbe in einzelnen speziellen Fällen zum Besten seiner Mitmenschen anwandte. Er tat es aber, wie er versicherte, nur ausnahmsweise und selbst dann höchst ungern, da es ihn außerordentlich angriff und seine eigene Gesundheit darunter litt.
    Jedenfalls war der Erfolg hier ein vortrefflicher gewesen, und unsere kleine Partie saß eines Abends auch wieder fröhlich beisammen, als draußen die Klingel etwas stark gezogen wurde und Frau von Zühbig mit dem freudigen Ausruf: »Mein Mann!« die Karten fallen ließ und die neben ihr stehende Teetasse vom Tische warf.
    Der herbeispringende Bediente hatte noch nicht die Hälfte der Scherben wieder aufgelesen, als Herr von Zühbig, in Pelz und Mütze, »gestiefelt und gespornt« in das Zimmer seiner Frau trat – und wie glücklich war diese, als sie den Gatten endlich wieder hatte – wie flog sie an seinen Hals, unbekümmert um die fremden Menschen, um die Dienerschaft! wie half sie ihm selber, soviel er sich auch dagegen sträuben mochte, Pelz und Schal ablegen und ruhte nicht eher, als bis er behaglich hinter einer Tasse heißen Tees in der Sofaecke saß! Der »Rubber« mußte natürlich erst ausgespielt werden, Herr von Zühbig drang, als Whistspieler von Fach, selber darauf. Dann aber wurde der Spieltisch beiseite gerückt, und der »Reisende« sollte erzählen – viel erzählen, und zwar alles, was er gesehen und erlebt und – wenn irgend möglich – ein klein wenig mehr.
    Herr von Zühbig befand sich, nach allen ausgestandenen »Beschwerden und Fährlichkeiten«, ausnehmend wohl in der weichen Sofaecke und

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