Der Kunstreiter
ebenfalls gerade in der Stimmung, sich mitzuteilen. So offen und ausführlich er aber über alles sprach, was ihn betroffen und was er »durchgemacht«, so waren seine Zuhörer keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß er noch etwas – und gerade die Hauptsache – verhehle und konnten den Moment kaum erwarten, wo er ihnen auch dieses enthüllen würde. Bis jetzt aber waren die Dienstboten noch ab und zu gegangen; die Gouvernante hatte die Kinder hereingebracht, dem Papa die Hand zu küssen und ihm »bonne nuit« zu sagen –es war noch keine ordentliche Ruhe gewesen. Jetzt schien das beseitigt; die Tür schloß sich hinter den letzten Friedensstörern, und Fräulein von Zahbern, die indessen wie auf Kohlen gesessen hatte, rief: »Und jetzt heraus, mein Intendant! wir wissen, Sie haben noch etwas auf dem Herzen und es drückt Sie ausnehmend, es loszuwälzen. Befreien Sie sich davon – bitte, bitte, erzählen Sie!«
Die junge Dame schlug dabei die Hände zusammen, wie es die lieben Kindlein machen, wenn sie die Eltern um etwas ersuchen wollen – übrigens gehörte sie schon seit längerer Zeit nicht mehr zu den Kindern.
Der Generalintendant sah den kleinen Kreis ihn erwartend umgebender Menschen innig vergnügt an – der Moment war gekommen, auf den er sich schon die ganze Heimfahrt über gefreut, und er erntete jetzt in vollen Zügen die Belohnung dafür ein, daß er es sich versagt hatte, sein Geheimnis leichtsinnig – vielleicht gar durch einen Brief – zu verschleudern.
»Also ein Geheimnis glaubt ihr, daß ich habe?« fragte er schmunzelnd.
»Es ist grausam, wie er uns martert,« rief seine Frau.
»Er spannt uns absichtlich auf die Folter,« sagte Baron von Silberglanz, »und vielleicht ist es nicht einmal der Mühe wert, daß wir uns so darüber den Kopf zerbrechen.« Diese List, es herauszubekommen, war etwas plump, aber auf Herrn von Zühbig von vortrefflicher Wirkung.
»Meinen Sie wirklich?« rief der genannte Herr, sich im Sofa rasch emporrichtend, »aber Sie sollen mir Abbitte tun, Silberglanz – Sie vor allen anderen, denn gerade Sie wird es mehr als alle anderen interessieren.«
»Mich?« rief der Baron erstaunt.
»Tun Sie nicht so unschuldig – als ob wir nicht wüßten, wie Sie für die schöne Bertrand geschwärmt hätten.«
»Die Kunstreiterin?« riefen Fräulein von Zahbern und Frau von Zühbig wie aus einem Munde.
»Georgine Bertrand,« bestätigte der Generalintendant, sich an dem Genusse ihres Erstaunens weidend, »aber« – setzte er plötzlich mit gebrochener Stimme hinzu – »Diskretion, meine Herrschaften! Was ich Ihnen jetzt mitteile, geschieht wie unter dem Siegel der Beichte. Ich selber habe versprochen, das Geheimnis zu bewahren und werde es tun – hier natürlich, unter Freunden, darf man sich aussprechen.«
»Versteht sich, versteht sich,« rief Fräulein von Zahbern rasch und ungeduldig, »aber wo, bester Intendant, wo haben Sie Madame Bertrand gefunden?«
»Madame?« fragte von Zühbig lächelnd, »Madame nicht allein, Monsieur Bertrand, Fräulein Josefine, das ganze Nest, und darin wäre nichts besonders Außerordentliches, aber eben das Wo? Das erraten Sie nicht, und wenn ich Ihnen ein Jahr Zeit dazu gäbe.«
»Nun? – o, quälen Sie uns nicht länger.«
»Du bist mehr als grausam, Guillaume.«
»Nun gut, so hören Sie denn – aber noch einmal: stumm wie das Grab!«
»Wie das Grab,« sagten alle drei feierlich.
»Auf dem Gute des Grafen von Geyerstein.«
»Es ist nicht möglich,« platzte Fräulein von Zahbern heraus, während Herr von Silberglanz ebenfalls einen Ausruf des Staunens nicht unterdrücken konnte. »Nicht möglich, meine Gnädige?« lächelte von Zühbig. »Ich gebe Ihnen mein Wort, und es ist das Wort eines Mannes, der Erfahrung in der Welt gesammelt hat. Es existiert außerordentlich viel Unmögliches in eben dieser Welt.«
»Und ich sehe darin eben gar nichts Außerordentliches,« bemerkte seine Frau. »Geyerstein hat sich in die Bertrand vergafft – das wußten wir schon damals, nur daß er den Mann mit auf das Gut nimmt, ist etwas außergewöhnlich – und selbst das vielleicht nicht einmal,« setzte sie achselzuckend hinzu.
»Bertrands auf dem Gute des Grafen Geyerstein,« wiederholte noch einmal Fräulein von Zahbern, als ob sie die Worte in einer Verzückung spräche – was Frau von Zühbig gesagt, hatte sie gar nicht gehört – »und wissen Sie das ganz gewiß?«
»Ich weiß nicht, ob Sie das gewiß nennen können, meine
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