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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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acht Uhr abends.
    Ihre Eltern nannten es Ausbildung. Mrs Twiddle nannte es Arbeit. Jenny Shepherd nannte es Sklaverei.
    Sie musste jedoch zugeben, dass sie während der sechs Monate, die sie hier bereits arbeitete, viel gelernt hatte. Sie wusste, wie man Silber polierte, bis man sich darin spiegeln konnte, wie man Flecken aus Seide und Baumwolle herausbekam, ein Teetablett so belud, dass es im Gleichgewicht blieb, wie man Brot buk und einen Fisch ausnahm. Sie konnte mittlerweile eine ganze Menge Sachen, die sie vorher nicht gekonnt hatte.
    An diesem einen Sommerabend verließ Jenny das Haus ihres Arbeitgebers besonders erschöpft, denn sie hatte die ganzen sechsStunden damit zugebracht, auf Händen und Knien den Fußboden zu schrubben. Alles tat ihr weh, und sie sehnte sich nach nichts mehr, als zu Hause im Bett zu liegen.
    Die Luft war drückend und schwer vom ätzenden Gestank der Themse. Die Sonne stand tief, aber es war noch hell genug, um durch den Park zu gehen – der strengen Anweisung ihres Vaters, stets über die Straße nach Hause zu kommen, zum Trotz.
    Sie trat durch ein Tor und schleppte sich den Pfad entlang. Ihre Dienstmädchenuniform war heiß und unbequem.
    ›Nach Hause. Ins Bett‹, dachte sie, bei jedem Schritt ein Gedanke. ›Nach Hause. Ins Bett. Nach Hause. Ins Bett. Nach Hause. Ins … ‹
    Was war das?
    Eine Bewegung im Busch zu ihrer Linken.
    Wahrscheinlich ein Landstreicher, der sich einen geschützten Platz für die Nacht suchte, einen Ort, an dem kein Polizist ihn sehen und verscheuchen würde.
    Sie machte einen weiten Bogen um den Busch, nur für den Fall. Es war eine abgelegene Ecke des Parks.
    »Man kann nie zu vorsichtig sein, Jenny, mein Mädchen«, zitierte sie flüsternd ihren Vater. »Halt immer Augen und Ohren offen.«
    ›Nach Hause. Ins Bett. Nach Hause. Ins Bett.‹
    »Jennifer Shepherd!«
    Eine Stimme, nicht mehr als ein lautes Flüstern, drang aus dem Busch.
    Sie blieb stehen und blickte ins Gestrüpp. Irgendjemand lauerte dort drin, zwischen den Blättern leuchtete weißer Stoff.
    »Jennifer Shepherd!«
    Jemand rief sie – jemand, der sie kannte!
    »Wer ist da?«, fragte sie erst zögerlich, dann wütend. »Ist das wieder einer deiner dummen Streiche, Herbert Stubbs? Spielst Wegelagerer, ja? Dick Turpin, was? Ich mach bei deinem dummen Spiel aber nicht mit, klar? Oh nein! Ich geh nach Hause undschlüpf in mein kühles Bett. Bleib du ruhig im Gebüsch sitzen und warte auf den nächsten Dummen, der vorbeikommt.«
    Sie drehte sich um und wollte gehen, dann blieb sie noch einmal stehen und wandte sich erneut dem Busch zu.
    »Hey, Dick Turpin!«, rief sie. »Komm raus und begleite mich, wie ein anständiger Gentleman. Deine Mutter wartet zu Hause mit dem Tee auf dich! Es ist zu spät für kleine Jungs, um sich draußen zu verstecken!«
    Keine Antwort.
    »Herbert! Komm da sofort raus!«
    Ein Rascheln.
    »Auch Wegelagerer müssen essen, Kleiner!«, rief sie süffisant. »Und vielleicht bekommst du …«
    Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen verstummte sie. Ihre Beine begannen zu zittern.
    Eine große, hagere Gestalt erhob sich aus dem Gebüsch und schritt auf storchenähnlichen Beinen auf sie zu. Blaue Flammen tanzten um den riesigen schwarzen Kopf. Mit nur drei Schritten hatte die Kreatur sie erreicht und an den Schultern gepackt.
    »Hast du ein Mal auf der Brust?«, fauchte sie.
    Sie versuchte, sich zu bewegen, zu schreien, wegzulaufen, aber ihr Körper versagte ihr den Dienst.
    »Antworte mir, Mädchen!«, knurrte die Kreatur. »Auf der Brust, über dem Herzen, trägst du da ein Muttermal von der Form eines Regenbogens?«
    ›Nach Hause. Ins Bett. Nach Hause. Ins Bett. Nach Hause. Ins Bett.‹
    Ein dünnes Rinnsal Urin lief ihr am Bein hinunter.
    Plötzlich umgab sie ein entsetzliches, jaulendes Geräusch. Es fing leise an, steigerte sich aber schnell bis es ihr in den Ohren wehtat. Die Gestalt hob einen Arm und riss ihn wieder nach unten, die Handfläche klatschte hart auf ihre Wange. Das Jaulen hörte auf, und sie erkannte, dass sie die Quelle des Geräuschs gewesen war.
    »Nein«, schluchzte sie.
    »Du hast es nicht?«
    »Nein!«, sagte sie laut.
    »Kein Muttermal?«
    »NEIN!«, schrie sie, riss sich aus dem Griff des Monsters los und rannte den Weg entlang, schneller als sie jemals zuvor gelaufen war. Tränen strömten ihr über die Wangen, alle Müdigkeit und Schmerzen waren vergessen.
9. Oktober 1837
    Mary Stevens war fünfzehn Jahre alt. Schon seit sie

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