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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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unterbrach mich plötzlich ein Mann, der den Raum betrat.«
    Sie hielt kurz inne und hob die Hand an die Kehle, holte Luft und fuhr fort: »Ich kann ihn nicht beschreiben. Ich kann ihn vor meinem inneren Auge nicht sehen. Ich erinnere mich … ich erinnere mich nur noch an seine sanften Schritte, als er hereinkam. Dann … ich … ich …«
    Burton sah Schweißtropfen auf Schwester Raghavendras Stirn. Sie biss sich auf die Lippe und zog an ihrem engen Kragen.
    »Bin ich ohnmächtig geworden?«, fragte sie. »Aber warum hätte mir das passieren sollen?«
    »Was ist Ihre nächste deutliche Erinnerung?«, fragte Burton.
    »Ich war … ähm … ich war in der Eingangshalle vor dem Empfangstisch. Ich schob einen Rollwagen, und irgendwie fühlte ich mich zufrieden bei dem Gedanken, dass Lieutenant Speke in guten Händen war.«
    »Wessen Hände?«
    »Na ja, ich dachte in denen seiner Familie, aber … ich … ich weiß es nicht!«
    Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
    Mrs Wheeltapper strich ihr über den Arm und murmelte ihr beruhigend zu.
    Sir Richard Francis Burton hatte nicht nur den Worten des Mädchens gelauscht, er hatte ihren Akzent analysiert und mithilfe seines außergewöhnlichen Talents ausgemacht, dass sie – oder zumindest ihre Familie – aus der Mysore-Region im Süden Indiens stammen musste, genauer gesagt aus der Gegend um Bangalore.
    Er sprach sie in ihrem eigenen Dialekt an: »Sie sind einem Zauber zum Opfer gefallen, junge Dame. Ich erkenne die Anzeichen, genau wie Sie, eine Krankenschwester, die Symptome einer Krankheit erkennen würden. Auf Ihrer Kommode steht eine gerade geöffnete Flasche Laudanum, was mir verrät, dass Sie an Kopfschmerzen leiden. Dies wiederum lässt mich vermuten, dass Sie einen traumatischen Schock erlitten haben und die Erinnerung tief in Ihrem Innern verschlossen wurde. Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass es Ihnen nicht guttun wird, wenn sie dort verbleibt, verborgen wie ein metastasierendes Krebsgeschwür. Die Erinnerung muss hervorgebracht, offengelegt und angenommen werden, man muss sich mit ihr auseinandersetzen, ihrer Herr werden und sie vernichten. Schwester Raghavendra, ich besitze die Fähigkeit der Hypnose. Wenn Sie gestatten – wenn Sie sich meinem Schutz anvertrauen und die werte Dame an Ihrer Seite entlassen –, kann ich den Zauber vielleicht durchdringen und herausfinden, was Ihnen genommen wurde. Meine Absichten betreffen allein Ihr Wohlergehen, Sie müssen weder mich noch meine Fähigkeit als Hypnotiseur fürchten.«
    Die Krankenschwester sah auf, und in ihren ausdrucksstarken Augen standen Verwunderung und Freude.
    »Sie sprechen meine Sprache«, rief sie, ebenfalls im Dialekt ihrer Heimat.
    »Ja, und ich kenne Bangalore. Werden Sie mir vertrauen, Schwester?«
    »Mein Name ist Sadhvi«, hauchte sie. »Bitte helfen Sie mir, mich zu erinnern. Ich möchte meine Arbeitsstelle nicht verlieren, ohne überhaupt den Grund dafür zu kennen.«
    »He«, warf Mrs Wheeltapper schnaufend ein. »Was geht hier vor? Ich dulde keinen Hokuspokus in meinem Haus! Und was soll dieser Kauderwelsch? Keine Turteleien, das will ich wohl hoffen! Nicht tolldreist vor den Augen einer armen alte Witwe!«
    Burton lächelte sie an. »Nein, Mrs Wheeltapper, nichts dergleichen. Ich kenne nur zufällig die Heimatstadt der Schwester und spreche ihre Muttersprache. Sie wieder zu hören, hat Schwester Raghavendra sehr bewegt.«
    »Das ist wahr«, unterstützte ihn die Krankenschwester. »Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr es mein Herz beglückt, mich so an die Heimat meiner Kindheit erinnert zu fühlen.«
    Die alte Dame warf die Hände in die Höhe.
    »Ooooh!«, rief sie mit mehr Leben in der Stimme, als ihr Burton bislang zugetraut hatte. »Ooooh! Wie schön! Wie wundervoll für Sie, meine Liebe!«
    »Das ist es, das ist es«, nickte Schwester Raghavendra. »Madam, ich bin sicher, Sie können dem guten Captain darin vertrauen, äußersten Anstand an den Tag zu legen. Ich würde gerne eine Weile mit ihm sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, in meiner eigenen Sprache, über seine Reise in mein Heimatland. Es wäre entsetzlich langweilig für Sie. Warum fahren Sie nicht mit Ihrer Arbeit fort? Es duftet so herrlich – vollbringen Sie wieder Wunder in der Küche?«
    Die Hauswirtin hob ihre vom Alter gezeichnete Hand an den Schleier und verbarg ein geschmeicheltes Kichern.
    »Albernes Mädchen«, gluckste sie. »Sie wissen doch genau, dass Polly nach meinen Anweisungen

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