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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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beiden Weiber hier doch weiter zusammenglucken! Eines Tages sind die einfach sang- und klanglos tot, und monatelang wird kein Mensch sie finden!« Sie hob die Hand und schob sich heftig eine Strähne des spröden, dunklen Haars aus dem Gesicht. Dabei sah er ihre Fingerspitzen, rosig und völlig glatt. »Zufrieden?« fragte sie wieder.
    »Jetzt ja.«
    »Ich – und Angela umbringen?« Sie brach in ein kehliges Lachen aus. »Da gibt es andere, die ich zuerst umbringen würde, das kann ich Ihnen sagen. Haben Sie wirklich geglaubt, ich hätte sie umgebracht?«
    »Nicht wirklich«, erwiderte Wexford, »aber ich bin überzeugt, Sie hätten es fertiggebracht, wenn Sie gewollt hätten.«
    Er war ein bißchen stolz auf diesen Hieb, den er ihr zum Abschied versetzt hatte, und er sann über weitere Spitzen nach, während er davonfuhr. Bisher war es ihm nur einmal beschieden gewesen, einen Hathall aus der Fassung zu bringen. Er hätte sie natürlich fragen können, ob sie eine Frau mit einer Narbe auf der Fingerkuppe kenne, aber es ging ihm gegen den Strich, eine Tochter aufzufordern, ihren Vater zu verraten, selbst bei einer solchen Tochter und einem solchen Vater. Er war schließlich kein mittelalterlicher Inquisitor oder die Säule eines faschistischen Staates.
    Als er wieder im Polizeipräsidium war, rief er Lovat an, der natürlich unterwegs war und erst am nächsten Tag wieder da sein würde. Howard würde nicht anrufen. Wenn er gestern abend auf Beobachtungsposten gewesen war, dann hatte er vergeblich gewartet, denn Hathall war ja zum Abschiednehmen in Croydon gewesen.
    Dora überzog die Weihnachtstorte mit weißem Zuckerguß, stellte in die Mitte der süßen Rundung einen bemalten Weihnachtsmann aus Gips und umgab ihn mit Gipsvögeln, die alle Jahre wieder aus ihrer Silberpapierverpackung gewickelt wurden, und die sie gekauft hatten, als Wexfords älteste Tochter ein Baby war.
    »Schau mal! Sieht das nicht hübsch aus?«
    »Entzückend«, meinte Wexford finster.
    Darauf versetzte Dora betont boshaft: »Ich bin richtig froh, wenn dieser Kerl dort angelangt ist, wo er hin will, und du dann endlich wieder du selbst bist!« Sie deckte die Torte zu und wusch sich die Hände. »Übrigens, erinnerst du dich, du hast mich doch mal nach einer Frau gefragt, die Lake heißt? Die, von der du meintest, sie erinnerte dich an Georg den Zweiten?«
    »Das hab ich doch nicht gesagt«, erwiderte Wexford befangen.
    »Na, irgend so was Ähnliches. Also ich dachte, es interessiert dich vielleicht, daß sie demnächst heiratet. Einen Mann namens Somerset. Seine Frau ist vor ein paar Monaten gestorben. Ich könnte mir vorstellen, daß die beiden schon seit Jahren was miteinander hatten, aber sie haben nie was durchblicken lassen. Großes Geheimnis. Jedenfalls kann er wohl keine Versprechungen auf dem Totenbett gemacht haben, von wegen, er werde sich bloß Mätressen halten, oder? Ach Liebling, ich wollte wirklich, du würdest ab und zu mal ein bißchen Interesse zeigen und nicht dauernd so aussehen, als hättest du alles satt!«

19
    Donnerstag war sein freier Tag. Nicht daß er sich eigens einen freien Tag genommen hätte, weil er vorhatte, endlich Lovat aufzustöbern, aber es bestand ja kein Grund, früh aufzustehen. Kurz vor dem Einschlafen hatte er immer daran denken müssen, was für ein alter Narr er gewesen war, sich einzubilden, Nancy Lake habe es auf ihn abgesehen, dabei wollte sie doch Somerset heiraten, und als es Tag wurde, war er tief in einem Hathall-Traum befangen. Diesesmal war er vollkommen unsinnig. Hathall und die Frau stiegen in einen fliegenden Achtundzwanziger-Bus, und um acht Uhr ließ ihn das Telefon neben seinem Bett in die Höhe fahren.
    »Ich dachte, ich erwische dich besser jetzt, ehe ich ins Präsidium fahre«, sagte Howards Stimme. »Ich hab die Bushaltestelle gefunden, Reg.«
    Das machte ihn rascher munter als das Schrillen des Telefons. »Schieß los«, sagte er.
    »Ich sah ihn um halb sechs bei Marcus Flower rauskommen, und als er zur Station Bond Street hinunterging, wußte ich, daß er zu ihr fahren würde. Für ein paar Stunden mußte ich dann selbst nach Hause, aber gegen halb elf war ich wieder an der New King’s Road. Gott, es war im Grunde ganz einfach, das ganze Unternehmen gelang besser, als ich zu hoffen gewagt hatte.
    Ich saß auf einem der vordersten Sitze, einem Fensterplatz. Er wartete nicht an der Haltestelle oben an der Church Street und auch nicht an der nächsten, direkt hinter der

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