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Der Kuß der Schlange

Der Kuß der Schlange

Titel: Der Kuß der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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müssen, daß ein wütender Paranoiker, für den so viel auf dem Spiel stand, nicht tatenlos reagieren würde auf seine plumpen Ermittlungsmethoden und das, worauf diese Ermittlungen abzielten. Aber jetzt war das alles vorbei, und er würde nie erfahren, wer die Frau war. Melancholisch dachte er an all die anderen Fragen, die nun unbeantwortet bleiben mußten. Was hatte dieses Buch über keltische Sprachen in Bury Cottage zu suchen? Warum hatte Hathall, der in seinen mittleren Jahren plötzlich Spaß an sexueller Abwechslung gefunden hatte, eine Frau wie Nancy Lake abgewiesen? Warum hatte seine Komplizin, die sonst in jeder Weise so gründlich und sorgfältig vorgegangen war, ausgerechnet an der Seite der Badewanne einen Handabdruck hinterlassen? Und warum hatte Angela, der doch so sehr daran gelegen war, ihrer Schwiegermutter zu gefallen und eine Versöhnung herbeizuführen, am Tag ihres Besuches ausgerechnet die Kleidung getragen, die mit dazu beigetragen hatte, ihre Schwiegermutter gegen sie aufzubringen?
    Er kam gar nicht auf die Idee, daß Howard in diesem späten Stadium noch irgendwelche Erfolge erzielen könnte. Normalerweise blieb Hathall sonntags daheim und hatte seine Mutter oder seine Tochter zu Gast. Auch wenn er sich von den beiden bereits verabschiedet hatte, bestand ja kein Grund, diese Gewohnheit dahingehend zu ändern, daß er nun nach Notting Hill zu ihr fuhr, da sie ohnehin am nächsten Tag gemeinsam das Land verlassen würden. Als er daher an jenem Sonntag abend um elf Uhr den Hörer abnahm und die vertraute Stimme hörte – ein wenig müde und gereizt –, da dachte er, Howard wolle ihm bloß mitteilen, wann er und Denise am Weihnachtsabend ankämen. Und als er dann den wahren Grund des Anrufes begriff, daß nämlich Howard jetzt, da es zu spät war, kurz davor stand, seine Mission doch noch zu Ende zu bringen, da überfiel ihn die kranke Verzweiflung eines Menschen, der seine Resignation nicht durch neue Hoffnung bedroht wissen möchte.
    »Du hast sie gesehen?« fragte er wie betäubt. »Du hast sie tatsächlich gesehen?«
    »Ich weiß, wie dir jetzt zumute ist, Reg, aber ich muß es dir erzählen, ich kann es einfach nicht für mich behalten. Ich habe ihn gesehen, ich habe sie gesehen, ich habe sie zusammen gesehen. Und dann hab ich sie aus den Augen verloren!«
    »O Gott. Mein Gott, das ist mehr, als ich verkraften kann.«
    »Bring nicht den Boten um, Reg«, seufzte Howard.
    »Ich bin nicht böse auf dich. Wie könnte ich auch, nach allem, was du getan hast? Ich bin böse auf – auf das Schicksal. Erzähl mir, was passiert ist.«
    »Gleich nach dem Mittagessen fing ich an, das Haus in der Dartmeet Avenue zu beobachten. Ich hatte keine Ahnung, ob Hathall zu Hause war oder nicht, bis ich ihn rauskommen und einen großen Abfallsack in eine dieser Mülltonnen stopfen sah. Der war beim Ausräumen und beim Packen, nehme ich an, und warf alles weg, was er nicht mehr brauchte. Ich saß da in meinem Wagen und wäre schon fast nach Hause gefahren, als ich um halb fünf sein Licht angehen sah.
    Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich nach Hause gefahren wäre. Wenigstens hätte ich dann bei dir keine neuen Hoffnungen geweckt. Er kam um sechs aus dem Haus, Reg, und ging nach West End Green hinunter. Ich folgte ihm mit dem Wagen und parkte in der Mill Lane – das ist die Straße, die von der Fortune Green Road nach Westen abbiegt. Wir warteten beide ungefähr fünf Minuten. Der Achtundzwanziger-Bus kam nicht, und er stieg statt dessen in ein Taxi.«
    »Und dem bist du gefolgt?« Für einen Moment überwog Wexfords Bewunderung seine Bitterkeit.
    »Es ist leichter, einem Taxi zu folgen als einem Bus. Busse halten ja dauernd. Und einem Taxi in London am Sonntag abend zu folgen ist viel leichter als werktags während der Hauptverkehrszeit. Jedenfalls, der Fahrer nahm mehr oder weniger dieselbe Route wie der Bus. Und vor einem Pub in der Pembridge Road stieg Hathall dann aus.«
    »In der Nähe der Haltestelle, wo du ihn schon mal in den Bus hast einsteigen sehen?«
    »Ja, ganz in der Nähe. Ich bin jeden Abend dieser Woche an dieser Haltestelle und in den Straßen ringsum gewesen, Reg. Aber er muß irgendeinen Weg hintenherum benutzt haben, um von der Station Notting Hill Gate dort hinzugelangen. Ich habe ihn nicht ein einziges Mal gesehen.«
    »Bist du ihm in den Pub nachgegangen?«
    »Er nennt sich Rosy Cross und war gestopft voll. Er holte sich zwei Drinks, Gin für sich selbst und Pernod für sie,

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