Der Kuss der wilden Rose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
zuschlagen würde. Doch schließlich entschied er sich offenbar dagegen und sagte stattdessen: “Warte kurz”, ehe er wieder im Haus verschwand.
Das Verhalten von Lottes Vater irritierte ihn. Bevor er sein Studium in Stockholm begonnen hatte, war er praktisch Dauergast im Hause Rosenblad gewesen. Man hatte ihn behandelt wie einen Sohn der Familie – und nun kam er sich plötzlich unerwünscht vor. Ob er sich das bloß einbildete?
Zwei Minuten später wurde die Tür wieder geöffnet. “Tut mir leid”, erklärte Sören Rosenblad unfreundlich, “aber Lotte ist für dich nicht zu sprechen.”
“Was?” Lorenz schüttelte den Kopf. “Aber warum denn nicht?”
“Ich glaube kaum, dass ich dir eine Erklärung schuldig bin – und jetzt verschwinde!”
“Wenn Lotte möchte, dass ich gehe, soll sie mir das gefälligst selbst sagen”, beharrte Lorenz. Er spürte, wie sich eine furchtbare Wut in ihm regte. Im Grunde war er kein sehr aufbrausender Mensch – außer, wenn man ihn wirklich bis zur Weißglut trieb. Und Sören Rosenblad stand kurz davor, diese Grenze zu überschreiten.
“Hörst du schlecht? Du gehst jetzt besser auf der Stelle, ehe ich mich vergesse! Dies ist immer noch mein Grund und Boden, und ich denke gar nicht daran, mir von einem dahergelaufenen Burschen wie dir etwas vorschreiben zu lassen!”
Lorenz atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. “Wie lange kennen wir uns jetzt?”, versuchte er es noch einmal im Guten. “Ich bin schon als kleiner Junge bei Ihnen ein- und ausgegangen. Was ist denn nur plötzlich in Sie gefahren?”
“Ich gebe dir fünf Minuten”, entgegnete Lottes Vater, ohne auf seine Frage einzugehen. “Wenn du bis dahin nicht verschwunden bist, rufe ich die Polizei.”
Forschend musterte Lorenz den älteren Mann. Meinte er es wirklich ernst? Offenbar, denn Sören Rosenblad wirkte zu allem entschlossen. Aber warum? Wieso behandelte er ihn plötzlich wie einen Wildfremden?
Er wandte sich halb ab und stieg drei Stufen herab, sodass er über das Dach der Veranda hinweg das obere Stockwerk des Hauses sehen konnte. Dann formte er mit seinen Händen einen Trichter und rief: “Lotte? Lotte, kannst du mich hören?”
“Zum Teufel!” Die Fäuste drohend erhoben, stürmte Lottes Vater auf ihn zu. Geschickt wich Lorenz ihm aus, doch der alte Rosenblad war schneller und wendiger als erwartet und setzte ihm nach. Da Lorenz nicht mit ihm kämpfen und ihn möglicherweise am Ende noch verletzen wollte, trat er widerwillig den Rückzug an. “Mach, dass du weg kommst!”, rief der alte Mann ihm noch nach. “Und lass dich bloß nie wieder hier blicken!”
In dem Moment, in dem Lorenz das Tor zur Straße erreichte, drehte er sich noch einmal um und erstarrte.
War das Lotte gewesen, dort hinter dem Fenster, dessen Vorhänge jetzt hastig zurückgezogen wurden?
Wusste sie wirklich, dass er hier war, und wollte ihn einfach nicht sehen? Die gemeinsame Nacht mit ihr war so wunderbar und einzigartig gewesen, dass er sich das gar nicht vorstellen konnte. Und dennoch! Es musste einen Grund geben, warum sich ihr Vater so merkwürdig benahm. War es wegen Lotte?
Wollte sie ihn wirklich nicht sehen?
Nein, beruhigte er sich selbst, das kann überhaupt nicht sein! Es ist erst ein paar Stunden her, dass sie in deinen Armen gelegen und dir die ewige Liebe geschworen hat.
Warum sollte sie sich jetzt plötzlich von ihm abwenden?
Immerhin hatte er sich nicht zuletzt auch ihretwegen den Anweisungen seines Vaters entgegengestellt. Wie könnte er eine andere Frau heiraten, wenn sein Herz doch einzig und allein für Lotte schlug?
Kurz entschlossen schlug er den Weg zurück zum Ort ein. Für ein paar Tage konnte er es sich leisten, ein Zimmer in der Pension zu nehmen. Er würde einfach noch einmal versuchen, Lotte zu erreichen. Er musste mit ihr reden, ihr sagen, was zwischen ihm und seinem Vater vorgefallen war. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, der ihn verstehen würde – wenigstens glaubte Lorenz das ganz fest.
Doch als er drei Tage später, nach weiteren erfolglosen Anläufen, Lotte ans Telefon zu bekommen, in seinem Pensionszimmer saß, war er sich dessen nicht mehr so sicher. Er wollte nicht so über Lotte denken, doch inzwischen fragte er sich immer häufiger, ob sie sich nicht tatsächlich einfach nur verleugnen ließ.
Einen weiteren Tag später war er davon fest überzeugt, und als er am Ende der Woche seine Koffer packte und sich auf den Weg machte, um eine Mitfahrgelegenheit
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