Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
Fehler, wie er sofort spürte, denn die Stimmung der Frauen hatte sich augenblicklich noch mehr gegen ihn gewendet.
    »Natürlich soll der Meister wiederkommen«, setzte er schnell hinzu. »Dafür beten wir doch alle. Was aber, wenn nicht? Dann wäre es doch das Sinnvollste, jemand wie ich würde …«
    »Wir kommen morgen in die Werkstatt, um uns mit eigenen Augen von ihrem Zustand zu überzeugen«, sagte Raia. »Was danach geschieht, werden wir dir rechtzeitig mitteilen.«
    »Ihr wollt mich rauswerfen? Nach allem, was ich für den Meister getan habe?« Jetzt schwitzte Ipi am ganzen Körper. »Das könnt ihr nicht!«
    »Du hörst von uns«, sagte Sadeh knapp. »Geh jetzt!«
    Er schlurfte hinaus, mit gebeugtem Rücken, als hätte er einen Schlag erhalten. Als Miu jedoch ein wenig später in den Garten kam, um im Teich zu baden, trat er plötzlich hinter einem Baum hervor.
    »Da staunst du!« Er hatte schon wieder sein Dauergrinsen aufgesetzt. »So eine kleine Mauer kann mich nicht abhalten.« Er kam weiter auf sie zu.
    »Halt!«, rief Miu und hob abwehrend die Arme. »Ich schreie, wenn du auch nur noch einen einzigen Schritt machst!«

    »Was würde dann schon passieren? Sicherlich käme deine Mutter angelaufen, diese dürre, arrogante Ziege, oder es käme deine Großmutter herangekeucht, die schneller im Reich des Anubis sein wird, als ihr lieb ist, auch wenn sie sich jetzt noch wichtig macht. Da hätte ich aber große Angst!«
    Er begann, sie zu umkreisen. Miu fühlte sich wie in der Falle.
    »Was willst du?«, sagte sie und drehte sich notgedrungen mit, weil sie ihn keinen Moment aus den Augen lassen wollte. »Warum hast du mir aufgelauert?«
    »Weil wir beide etwas miteinander zu besprechen haben.«
    »Was sollte das schon sein?«, blaffte Miu, um ihre Furcht zu verbergen.
    »Weißt du, was sie mit Grabräubern anstellen? Sie prügeln sie halb zu Tode, damit sie ihre Verbrechen gestehen. Danach werden ihnen die Augen ausgestochen oder man zieht ihnen bei lebendigem Leib die Haut …«
    »Hör auf!«, schrie sie. »Hör sofort damit auf!«
    »Ich sehe, du kapierst allmählich. Wenn du jetzt auch noch einsehen würdest, dass ich der Einzige bin, der dir helfen kann, dann wärst du schon ein ganzes Stück weiter.«
    »Du mir helfen? Womit denn?«
    »Ich könnte dir zeigen, wer dahintersteckt«, sagte Ipi. »Es gibt da gewisse Beweise für Ramoses Unschuld …«
    »Was für Beweise?«, fuhr Miu ihn an. »Ich glaub dir kein einziges Wort!«
    Er ließ sie sein fettiges Lachen hören, das ihr Gänsehaut bereitete.

    »Nicht hier!«, sagte er. »Dazu müsstest du schon in die Werkstatt kommen. Heute Nachmittag zum Beispiel. Dort wirst du dann mehr erfahren.«
    »Wer garantiert mir, dass du nicht lügst?«
    »Niemand!« Ipi grinste noch breiter, als belustige ihn die Frage ungemein. »Aber du bist doch ein kluges Kind und weißt: Du hast keine andere Chance.«
    »Was muss ich dafür tun?«, fragte Miu.
    Womit hatte er sich eingerieben? Seine Haut glänzte ölig, doch verströmte sie keinen angenehmen Duft, sondern den süßlich-verfaulten Geruch, den Miu von ihm gewohnt war. Ein widerlicher Schwall drang ihr in die Nase, als Ipi sie plötzlich am Arm packte und eng an sich zog.
    »Das weißt du doch, meine Schöne«, flüsterte er. »Ab jetzt liegt die Entscheidung einzig und allein bei dir: Muss der Meister sterben oder darf er leben?«

    Angst war ein Gefühl, das Userkaf bislang fremd geblieben war. Er hatte sein Leben so eingerichtet, dass stets er es gewesen war, der andere zum Zittern gebracht hatte. Doch als jetzt der Mann mit dem Geierprofil die Wachstube betrat und ihn nach nebenan befahl, damit sie ungestört wären, spürte er, wie sein Magen sich verkrampfte.
    Bislang hatte Userkaf jenen Mann nur vom Hörensagen gekannt. Der General hatte ihn beiläufig erwähnt, damals, als Userkaf seinen Rapport abgeliefert hatte. Damals hatte der General ihm die Anweisung gegeben, die Fahndung nach einem angeblichen Königsmörder augenblicklich
einzustellen. Eine Weile hatte Userkaf sogar bezweifelt, ob jener Mann tatsächlich existierte, das hysterische Geschwafel von Anis kleiner Verwandten hin oder her. Doch als er jetzt plötzlich vor ihm stand und den engen Raum zu füllen schien, obwohl er weder besonders groß noch dick war, traten Schweißperlen auf Userkafs Stirn.
    »Du bist Userkaf?«, fragte der Mann mit der scharf gebogenen Nase. »Und stehst den anderen hier vor?«
    »So ist es«, erwiderte der Polizist

Weitere Kostenlose Bücher