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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sich. Ein Lächeln verschönte ihr Gesicht, als sie zum Fluss schaute.
    »Da sind sie ja endlich«, sagte sie. »Die ganze göttliche Familie, auf dem Weg nach Hause!«
    Ein Satz, der in Miu fuhr wie ein Blitz.
    Sie hatte nur noch Augen für die vierte Barke, in der Pharao Tutanchamun saß, auf dem Kopf die Doppelkrone
von Ober- und Unterägypten, Krummstab und Wedel in den Händen. Am liebsten hätte sie ihm gewunken und etwas zugerufen, seine Haltung und Mimik jedoch ließen diesen ungehörigen Wunsch auf der Stelle in ihr ersterben.
    Neben ihm Anchesenamun, schöner und stolzer als je zuvor. Ihre Haut schimmerte in der Sonne wie pures Gold; unzählige Steine funkelten um ihren Hals, glitzerten an ihren schlanken Armen. Sie war wie eine Statue, gegossen aus dem Fleisch der Götter, eine Statue allerdings, um deren Lippen ein wissendes, grausames Lächeln spielte.
    Mius Zuversicht sank auf den Tiefpunkt.
    Was hatte sie sich da nur einbilden können? Auch wenn sein Mund noch vor Kurzem zärtlich ihre Lippen berührt hatte, gegen dieses Königspaar würde sie niemals ankommen, das wurde ihr in diesem Moment in kristallener Klarheit bewusst. Die beiden waren gottgleich - und sie selber nur die Tochter des Balsamierers!
    »Aber da ist ja noch ein fünftes Boot!« Raias Zeigefinger deutete hinter die Königsbarke. »Und ein sechstes, das ihm dichtauf folgt. Sie müssen das Zeremoniell geändert haben.«
    Der grauhaarige Alte im fünften Boot war Göttervater Eje, der ein solch grimmiges Gesicht zog, als wäre diese öffentliche Zurschaustellung für ihn die reinste Zumutung. Für die Vielzahl der frisch geschorenen Amun-Novizen vor und hinter sich hatte er keinen einzigen Blick. Seine angespannte Körperhaltung verriet, wie unwohl er sich fühlte.
    Ganz anders der Mann in der nachfolgenden Barke.
    General Haremhab saß kerzengerade und musterte das
Ufer so scharf, als gelte es, mit seinem Adlerblick verborgene Feinde aufzuspüren. Seine Gesten drückten Selbstsicherheit und Siegerwillen aus. Doch das war es nicht, was Mius Aufmerksamkeit erregt hatte.
    Plötzlich klammerte sie sich fester an Großmamas Arm.
    »Was hast du, mein Mädchen?«, sagte Raia besorgt.
    »Da!« Miu konnte kaum noch reden. »Siehst du ihn denn nicht?«
    »Wen soll ich sehen?«
    »Den Mann. Da, schräg hinter deinem Retter, dem General. Fällt dir seine Nase auf, wenn er den Kopf zur Seite wendet? Ich kann es nicht glauben!«
    »Ich verstehe nicht, Miu …«
    »Aber das ist doch er, der Mann mit dem Geierprofil!«, rief Miu aufgeregt. »Der zusammen mit dem Warzenkerl den Pharao töten wollte. Ich muss den König sofort warnen. Er hat ja keine Ahnung, dass dieser Mann …«
    »Nicht jetzt und nicht hier.« Raias Stimme hatte zu ihrer gewohnten Strenge zurückgefunden. »Das Opet-Fest zählt zu den höchsten Feiertagen. Daran solltest du denken, Miu!«
    »Das tue ich ja! Was, wenn die Verbrecher sich ausgerechnet diesen Umstand zunutze machen wollen?« Miu schaute sich verzweifelt um. »Warum nur ist Ani schon fort? Er hätte uns helfen können!«
    »Der Junge musste zum Dienst, das geht nun mal vor. Was hätte er außerdem schon ausrichten können, immerhin ist er nur ein kleiner Polizist. Der Pharao zieht sich nach dem Anlegen der Barken zu den heiligen Zeremonien in den Tempel zurück und dabei dürfen ihn lediglich die geweihten Priester Amuns begleiten …«

    »Aber wenn der Verbrecher ihm irgendwo auflauert? Vielleicht lautet ja so und nicht anders sein gemeiner Plan! Wenn er ihn einfach hinterrücks niedersticht, was dann?« Mius Atem ging stoßweise. »Ich muss zu ihm!«
    Auf einmal legten sich weiche Arme um ihren Hals und sie vernahm eine vertraute Stimme.
    »Miu! Raia! Dass ich ausgerechnet euch hier treffe!«, rief Iset.
    »Du bist doch nicht etwa ganz allein unterwegs?«, fragte Raia.
    »Natürlich nicht! Aber Chamaat, meine Schwiegermutter, hab ich wohl irgendwo im Getümmel verloren.« Es klang nicht, als bedaure sie das besonders.
    »Und dein Mann? Wo steckt Kenamun?«, wollte Raia weiter wissen, während Miu den Hals reckte, aber sie konnte den Barken, die mit dicken Stricken von Dutzenden von Männern auf dem Ufer vorwärtsgezogen wurden, nur noch nachschauen.
    »Kenamun?«, sagte Iset zögernd. »In der Nekropole. Bei der Arbeit.«
    »An diesem Tag?«
    »An allen Tagen. Zumindest kommt es mir so vor.« Das kam sehr viel leiser und war ausschließlich für Mius Ohren bestimmt.
    »Das klingt, als wärst du enttäuscht. Schon jetzt,

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