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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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dieses Mal?«, fragte sie. »Wieder einer dieser Pillendreher, weil die Leute ja immer mal krank werden und dann dringend Arznei brauchen? Oder vielleicht ein Goldschmied, weil Geschmeide stets gefragt ist, gerade in schwierigen Zeiten? An wen willst du mich verschachern?«
    »Ich liebe meinen Beruf.« Ihrem zornigen Blick hielt er mühelos stand. »Und war stets stolz darauf, Balsamierer zu sein. Unser Handwerk ist so alt, dass es manchmal sogar zu den Künsten gezählt wird. Daher denke ich …«
    Was redete er da? Er musste doch gespürt haben, wie unangenehm ihr sein Gehilfe war? Wäre Papa tatsächlich in der Lage, über ihre Gefühle hinwegzusehen, damit seine eigenen Pläne aufgingen?
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst«, rief sie. »Nicht dieser schleimige Ipi mit seinem widerlichen Dauergrinsen!«
    Ramose hatte sich erhoben. »Ein Name ist meines Wissens bislang noch nicht gefallen«, sagte er steif.
    »Aber daran gedacht hast du schon, oder nicht? Vergiss es! Daraus wird nichts, Papa, niemals, so wahr mir …«
    Anuket kam aufgelöst hereingelaufen, gefolgt von Raia.
    »Eine königliche Eskorte«, rief Anuket. »Unser Mädchen soll in den Palast gebracht werden!«
    »Was wir mit allen Mitteln verhindern werden.« Raias Gesichtsausdruck zeigte grimmige Entschlossenheit. »Und wenn ich mich persönlich dazwischenwerfen müsste! Ramose, so steh doch nicht wie angewurzelt herum, sondern tu endlich etwas!«
    »In meinem Haus entscheide noch immer ich!«, brachte er schließlich hervor, doch es klang matt und wenig überzeugend.
    »Die Männer da draußen sind bewaffnet und sehen nicht aus, als würden sie lange fackeln wollen.« Erschrocken sah Anuket zu ihrem Herrn auf. »Was, wenn sie uns alle verhaften, falls wir nicht gehorchen wollen?«
    »Werden sie nicht. Denn ich komme ja - freiwillig!« Miu rannte zur Tür.
    »Augenblick!« Ramose bekam sie im letzten Augenblick am Kleid zu packen und hielt sie fest. »Ohne mich und meine Einwilligung wirst du nirgendwo hingehen, Tochter!«
    »Ich denke, da täuscht du dich, Balsamierer.« Der Offizier der Leibgarde, der ungebeten eingetreten war, hatte einen massigen Körper und war mindestens einen halben Kopf größer als Ramose. »Das Mädchen. Nur das Mädchen. So lautet der Befehl des Pharaos. Und nicht anders wird er auch ausgeführt - darauf hast du mein Wort!«

    Wenn er schlief, so wie jetzt, erinnerte er Taheb noch immer an den kleinen Jungen, dessen unruhige Träume sie
bewacht hatte. Ani hatte sich als Kind vor der Dunkelheit gefürchtet, und obwohl Nefer Frau und Sohn ausgelacht hatte, stand stets ein brennendes Öllicht neben seinem Bett, dafür hatte sie gesorgt. Oft hatte sie danebengesessen, stets bereit, ihn zu trösten und wieder zum Einschlafen zu bringen, sobald er aufschrie oder sich verschwitzt freigestrampelt hatte. Für Taheb ein heimliches Glück, für das sie ihren Schlaf gern geopfert hatte.
    »Eines Tages könnte deine Nachsicht uns noch das Dach über dem Kopf kosten«, hatte Nefer oft gemurrt. »Wenn nicht mehr! Du verziehst ihn, Taheb. Das gefällt mir nicht. Wirst schon noch sehen, wohin das führt.«
    Wohin schon?
    Einen klugen, sensiblen Mann hat es aus ihm gemacht, dachte sie voller Zärtlichkeit. Der noch um vieles glücklicher sein könnte, hätte der Zwist mit dem Vater ihn nicht in den Krieg getrieben und mit einem lahmen Bein zurückkehren lassen.Ani hatte seinen Eltern gegenüber kaum etwas von seinen Kriegserfahrungen im tiefen Süden des Reiches preisgegeben. Nur einmal, als sie beide ungestört waren, war es Taheb gelungen, mehr als ein paar dürre Worte aus ihm herauszulocken.
    »Nicht der Sand oder die Hitze sind das Schlimmste. Nicht einmal die Schmerzen, wenn der Gegner dich im Kampf verletzt hat und der Sunu des Heeres dich notdürftig wieder zusammenflickt. Es ist das, was mit deinem Herzen geschieht, als hätte jemand es aus deiner Brust gerissen und dir stattdessen einen Stein hineingelegt, so kalt und so schwer. Aber andererseits brauchst du diesen Stein, dringend sogar, wenn du als Soldat überleben willst. Sonst gehst du nämlich jämmerlich zugrunde.«

    Ein letztes Mal fuhr Taheb mit der Hand über seinen geschorenen Kopf. Die Stoppeln waren schon wieder zu spüren. Wehmut überfiel sie. Wie sehr sie früher sein dichtes Haar geliebt hatte!
    Dann rüttelte sie ihn sanft wach.
    »Was ist?« Ani schoss nach oben, als hätte er einen Pfiff gehört.
    »Du solltest langsam aufstehen, wenn du dich nicht wieder halb zu

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