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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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ihren Körper mit einer Mischung aus Salz und Öl abrubbelte, bis die Haut vor Sauberkeit glänzte. Danach folgte die Enthaarung mit einem dünnen Faden, blitzschnell gegen den Strich gezwirbelt, was zwar schmerzhaft war, aber so geübt und gründlich, wie Miu es noch nie zuvor erlebt hatte. Schließlich wurde sie von Kopf bis Fuß mit Rosenöl gesalbt. Überall gab es Ständer mit Perücken verschiedenster Länge. Doch als sie danach fragte, ließ eine der Nubierinnen ihr helles Lachen hören.
    »Du hast Glück«, murmelte sie und begann, bunte Bänder in Mius Mähne zu flechten. »Er liebt dein Haar! Du brauchst es nicht zu bedecken. Da hat die andere es schon schwerer!«
    »Aber wird die Große Königliche Gemahlin denn auch anwesend sein?«, entfuhr es Miu.
    Jetzt kicherten alle Anwesenden, als hätte sie einen köstlichen Witz gerissen.
    Eine andere Dienerin begann, sorgfältig die Schminke aufzutragen. Sie tauchte die Pinsel in eine solche Vielfalt aus Töpfen und Näpfen, als gelte es, eine halbe Armee mit schwarzem Onyx- und grünem Malachitpulver zu bemalen.
    Mayet, die lange unsichtbar gewesen war, tauchte erneut auf und nahm Miu in Augenschein. Es schien ihr zu gefallen, was sie sah, denn sie nickte beiläufig.

    »Hast du dir auch die Zähne gereinigt?«, fragte sie streng. »Hauch mich mal an!«
    »Das tue ich doch jeden Morgen mit Schilfrohr«, erwiderte Miu.
    »Das ist nicht genug. Mach endlich den Mund auf!«
    Miu gehorchte und bekam anschließend ein Döschen mit kleinen bräunlichen Kugeln in die Hand gedrückt.
    »Myrrhe, Weihrauch und Zimt«, sagte Mayet. »Drei jetzt, den Rest über den Abend verteilt, aber unauffällig, wenn ich bitten darf, verstanden?«
    Mius Augen wurden immer größer.
    »Du wirst etwas Gelbes tragen«, sagte Mayet. »Denn das bringt deine Haut am meisten zum Leuchten und lässt die Augen strahlen.«
    Das Kleid, das ihr nun gereicht wurde, war federleicht und für Mius Geschmack viel zu durchsichtig.
    » Das soll ich anziehen?«, sagte sie entsetzt.
    »Musst du dich deines Körpers etwa schämen? Du bist so gut wie erwachsen und inzwischen so schön wie deine Mutter Sadeh, wenngleich auch auf andere Weise. Danke lieber der Göttin Hathor* dafür, dass sie so gnädig zu dir war!«
    Miu schlüpfte in das zarte Gespinst, das ihre Haut streichelte.
    »Warte!« Mayet öffnete eine Kassette und nahm ein paar Ohrringe heraus. »Karneole nennt man auch ›Steine der Liebe‹«, sagte sie, während sie die goldenen Bügel durch Mius Ohrlöcher schob. »Bei jeder Bewegung beginnen sie zu tanzen. Also vergiss nicht, den Kopf zu neigen, wenn er mit dir spricht.« Sie zog die Brauen zusammen. »Ob das schon genug ist? Vielleicht doch noch eine Kette?«

    »Lieber nicht!« Miu hob abwehrend die Arme. »Das alles ist doch ohnehin viel zu kostbar für mich - der Schmuck, das Kleid. Was, wenn ich etwas schmutzig mache oder verliere?«
    »Trink!«, verlangte die Königsamme und reichte ihr einen Becher. »Und hör endlich auf, dir unsinnige Sorgen zu machen.« Sie trat einen Schritt zurück und nickte abermals.
    Mayet schnalzte ungeduldig. Die Wache an der Türe nahm Haltung an.
    »Unsere Arbeit hier ist beendet. Wir können sie jetzt zum Pharao bringen«, sagte sie.
    Der ganze Weg erschien Miu wie ein Traum, und ihre Füße bewegten sich, als wären sie eigenständige Lebewesen, die nichts mit ihrem übrigen Körper zu tun hätten. Draußen war die Nacht hereingebrochen, mit all ihren geheimnisvollen Lauten und Gerüchen, drinnen aber trug der Palast der leuchtenden Sonne zu Recht seinen Namen, denn ein Meer von Öllampen erleuchtete ihn taghell.
    Hier war sie noch niemals gewesen, das nahm Miu trotz aller Verzauberung wahr, hier, wo die kühlen Kacheln, die ihre bloßen Füße berührten, schöner und bunter waren als alles, was sie jemals gesehen hatte; hier, wo die Wände ganze Gärten gemalter Pflanzen zierten, so echt und lebendig, als stünde man im Freien.
    Vor einer großen Tür machten sie halt.
    »Wartet hier!«, befahl die Königsamme den Wachen, dann schob sie Miu hinein.
    Zuerst sah sie nur den niedrigen Tisch mit den Sitzkissen, der schier überquoll von köstlichen Speisen. Um ihn herum ein Lichterkranz aus brennenden Öllampen.
Nach und nach nahmen Mius Augen wahr, was sich sonst noch im dunkleren Teil des Raumes befand.
    Auf einem breiten Ruhebett, dessen Füße goldene Löwenpranken bildeten, lag Tutanchamun. Sein Oberkörper war nackt. Seine Hüften umschlang ein einfacher

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