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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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weißer Schurz. Am Kopfende stand einer der königlichen Fächerträger, ein junger, gertenschlanker Nubier, der die riesigen Straußenfedern mit trägem Wedeln gleichmäßig bewegte.
    »Da wären wir, Goldhorus.« Mayet verneigte sich tief. »Verzeih deiner alten Amme, wenn es ein wenig länger gedauert hat. Ich weiß, wie sehr du es hasst zu warten! Aber ich denke doch, es hat sich gelohnt!«
    Miu, die wie bei ihren bisherigen Besuchen zur Begrüßung auf den Boden sinken wollte, wurde mitten in der Bewegung aufgefangen.
    Er hielt sie in den Armen, zärtlich und warm - er, Pharao!
    » Die Eine, Geliebte, ohne ihresgleichen,
schöner als alle Welt.
Schau, sie ist wie der glänzende Neujahresstern
vor einem schönen Jahr …«
    Tutanchamun hielt inne, mitten in seinem Gedicht, das er ihr ins Ohr geflüstert hatte, und lächelte strahlend.
    »Die Schöne ist gekommen«, sagte er. »Endlich! Willkommen in meinem Palast, Miu!«
    Auf sein Nicken hin zog Mayet sich diskret zurück.
    Jetzt waren sie beide allein.

    Nun, da der Herbst nicht mehr aufzuhalten war, konnte es schnell ungemütlich werden, sobald man das Fruchtland nur ein paar Schritte hinter sich gelassen hatte. Waren die Nächte in Waset noch einigermaßen mild, so zeigte sich auf dem Westufer, wo Steine und Sand vorherrschten, sehr schnell das wahre Gesicht der Wüstennacht.
    Imeni hustete bereits seit mehreren Tagen, seine Nase lief und die Stimme klang so rau wie ein Reibeisen. Zum Schutz gegen die aufkommende Kälte hatte er sich in mehrere Lagen von Decken gewickelt, was ihn so unbeweglich machte, dass Ani bei seinem Anblick einen Lachanfall bekommen hatte.
    »Wenn Userkaf dich so sehen könnte, würde er dir die Löffel lang ziehen«, sagte er, als er sich wieder halbwegs beruhigt hatte. »In dieser Aufmachung könntest du vermutlich nicht mal einen beinlosen Dieb erwischen!«
    »Kommt ja eh keiner«, bellte Imeni. »Möchte nur wissen, wofür wir uns hier Nacht für Nacht die Beine in den Leib stehen! Entweder es gibt sie gar nicht, diese ominösen Herren Grabräuber, oder sie haben längst andere Methoden entwickelt, um die Beute unauffällig herauszubringen.«
    »Was meinst du damit?« Ani war hellhörig geworden.
    »Woher soll ich das wissen - bin ich vielleicht ein Dieb?«, sagte Imeni schniefend. »Der Ärger wird jedenfalls von Tag zu Tag mehr. Tija ist sauer, weil ich keine Nacht mehr zu Hause bin. Ob ich eine andere hätte, hat sie mich gestern gefragt. Und ob sie sich vielleicht auch nach einem anderen umsehen solle - stell dir das vor, nach zehn Jahren glücklicher Ehe!«
    Ein trockener Hustenanfall schüttelte ihn.

    »Kannst heilfroh sein, dass du noch Junggeselle bist, Ani«, sagte er. »So bist du von solchen Fragen wenigstens verschont.«
    Eine Weile blieb es still. Imeni schien sein bisheriges Interesse an der Nachtmeerfahrt der Sonne gänzlich verloren zu haben und kaute stattdessen lustlos auf einem Hühnerknochen herum.
    In der Ferne das Heulen von Schakalen. Die beiden Polizisten fröstelten unwillkürlich.
    »Vielleicht schleichen sie sich ja hinaus, bevor wir kommen«, begann Ani nach einer Weile erneut. »Solange die Tore noch geöffnet sind. Dann wären sie längst über alle Berge, wenn wir hier eintreffen - und wir werden sie niemals auf frischer Tat ertappen können!«
    »Keine schlechte Idee, aber wie kommen sie mit dem Diebesgut durch die scharfen Kontrollen?«, warf Imeni ein. »Auf der anderen Seite sitzen doch auch welche von uns, die alles durchsuchen. Die Kollegen würden sie wohl kaum mit gestohlenen Kostbarkeiten passieren lassen!«
    »Und wenn unsere Kollegen mit den Dieben unter einer Decke stecken?«, sagte Ani. »Hast du daran schon mal gedacht? Dann würde niemals etwas herauskommen, so lange beide Seiten dichthalten!«
    »So redet einer, der im Dunkeln tappt!«
    »Gehörst du vielleicht auch dazu?« Anis Gesicht war plötzlich verzerrt. »Schiebst hier mit mir Wache und machst auf harmlos, währenddessen …«
    Jetzt war es Imeni, der lauthals zu lachen begann.
    »Die ganz große Verschwörung? Kommt mir irgendwie bekannt vor. Schätze mal, so ungefähr jeder junge Kollege träumt am Beginn seiner Dienstzeit davon. Und natürlich
auch davon, dass er und kein anderer die Verbrecher dingfest machen wird.«
    Er hustete erneut.
    »Vergiss es, mein Junge! In unserem Beruf sind Erfolge leider rar gesät und meist härter erarbeitet als die Quader im Steinbruch!«
    »Und trotzdem hast du bis heute nicht

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