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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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irren!«
    Seine Heiterkeit wollte nicht enden.
    »Es ist genau so, wie ich dir sage!« Er stieß ein Schnalzen aus, das Tier reagierte sofort, kam wieder näher und rieb seinen Kopf an der Schulter des Pharaos. »Sieh nur, wie zärtlich er ist!«, rief Tutanchamun begeistert. »Nachts schläft er an meiner Seite. Tagsüber läuft er mir nach wie ein artiger Welpe. Nicht einen einzigen Augenblick möchte ich ihn mehr missen.«
    Er zog Miu näher.
    »Das alles habe ich nur dir zu verdanken! Ich werde mir etwas ausdenken, was dich sehr glücklich macht.«
    Seine Arme umschlangen sie, er roch nach gebratenem Fleisch, nach Schweiß, nach Mann. Miu hatte das Gefühl, dass seine Umarmung immer gebieterischer wurde. Langsam dämmerte ihr, dass sie in tiefes Wasser geraten war und keinen Boden mehr unter den Füßen spürte.
    Sie hatte gar keine Wahl.
    Nicht viel anders als die gebratenen Hühnchen und die Gazelle vom Rost kam sie sich vor. Man hatte sie gewaschen, angerichtet und gewissermaßen serviert - ihm, der über alles gebot. Und dennoch wurde ihr Körper von einem Strom der Sehnsucht erfasst, ausgelöst durch seine
verwirrende Nähe und die Wärme seiner Lippen an ihrem Hals.
    »Eine kleine Träumerin bist du«, hörte sie ihn murmeln. »Gerade das gefällt mir ja so sehr an dir.«
    Sein Atem, dicht an ihrer Haut. Ihre Beine, die sich wie flüssiges Wachs anfühlten. Selbst wenn Miu gewollt hätte, sie hätte keine zwei sicheren Schritte mehr zustande gebracht.
    »Es sind keine Zeiten für die Liebe«, hörte sie sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen, während ein längst verloren geglaubtes, süßes Gefühl in ihr aufwallte, als wäre sie endlich wieder vollständig. So lange hatte sie sich nicht mehr so gefühlt! Nicht mehr, seitdem ihre Mutter gestorben war.
    »Du hast Angst?« Seine Augen waren dunkle, funkelnde Sterne - und so nah!
    Sie schüttelte den Kopf, auf einmal unfähig, auch nur eine Silbe hervorzubringen. Er hat schon eine Frau, dachte sie verzweifelt. Seine Königin, die sein Kind erwartet. Was kann ich da für ihn sein? Doch nichts als ein flüchtiger Rausch!
    »Ich werde dir nicht wehtun«, sagte der Pharao und öffnete ihre Lippen mit seinem Kuss. »Das verspreche ich dir!«
    Die Aufregung schien Mius Herz schier sprengen zu wollen. Doch was sie fühlte, war andererseits weich und warm und schön. Sie erwiderte seinen Kuss, trank seinen Atem, genoss seine Nähe. Sie sah die kleinste Pore seiner Haut. Die zarten bläulichen Adern an seinen Schläfen. Die Lider wie feinster Papyrus.
    Hatte sie seine großen bräunlichen Ohren jemals hässlich gefunden?

    Jegliche Erinnerung daran war verweht. Jetzt erschienen sie Miu wie kühne Segel, gefertigt aus dem allerzartesten, kostbarsten Material, das sich nur denken ließ.
    Seine Hände waren nicht untätig geblieben, sondern zielsicher weitergewandert, unter den dünnen Stoff, direkt auf ihre Brust.
    Miu schielte nach unten.
    Man konnte davon träumen, doch in Wirklichkeit fühlte es sich ganz anders an! Sie empfand es als aufregend und wundervoll zugleich - und dennoch war es nicht richtig.
    Sie hielt seine kosenden Hände fest, was Tutanchamun zu irritieren schien.
    »Warte!«, flüsterte sie. »Nicht so schnell.«
    »Wie lange willst du mich noch warten lassen?«, erwiderte er leidenschaftlich. »Nacht für Nacht träume ich von dir …«
    Die Türe flog auf. Lautes Knurren.
    Ein scharfes Hüsteln.
    Dann stand die Große Königliche Gemahlin im Raum, flankiert von ihren Hunden.
    »Da also bist du, geliebter Goldhorus!« Ihre Stimme klang schrill. »Und noch dazu in so anregender Gesellschaft.«
    »Was willst du?«, sagte er schroff.
    »Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, es wäre heute klüger denn je, deine Nähe zu suchen. Und sieh, ich hab mich schon den ganzen Tag über nicht besonders wohlgefühlt. Unser Kind - es verlangt nach seinem Vater!«
    Jamu war hinter den Pharao gesprungen und rührte sich nicht mehr. Auch Miu saß da wie erstarrt.

    »Dann leg dich am besten schlafen«, sagte Tutanchamun und Ärger tropfte aus jedem seiner Worte. »Hast du den Sunu schon konsultiert?«
    »Was mir fehlt, kann kein Arzt heilen. Und schlafen? Wie könnte ich das - ohne dich?«, erwiderte Anchesenamun in lieblichem Tonfall. »Es geht doch gar nicht um mich. Der künftige Erbe Kemets braucht dich, Einzig-Einer!« Ihre dünnen Arme mit den unzähligen Goldreifen streckten sich gebieterisch nach ihm aus.
    Plötzlich konnte Miu die Situation nicht länger

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