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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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in dieser Sekunde erst richtig bewusst wurde. Ganz langsam öffnete seine Hand sich wieder. Es war, als müsse er sich dazu zwingen, mich loszulassen. Ebenso abrupt, wie er eben hochgefahren war, fiel er wieder zurück, drehte mir endgültig den Rücken zu und schob die Hände in die Achselhöhlen. Er verzog das Gesicht wie jemand, der Zahnschmerzen
    hatte.
    Vorsichtig
    rieb
    ich
    mein
    Handgelenk. In meinem Magen saß ein seltsames Gefühl, das sich wie Angst anfühlte.
    »Du kannst etwas tun, wenn du absolut nicht verschwinden willst«, sagte Julien unvermittelt gegen die Rückenlehne. Seine Stimme war erschreckend rau und hörte sich beinahe wie ein Knurren an.
    »Was?« Ich ließ die Hände sinken.
    »Du kannst mir etwas zu trinken machen.« Er drehte sich nicht zu mir um.
    Auch wenn ich es mir selbst kaum eingestehen wollte: Etwas zu tun und ein bisschen Distanz zu Julien erschienen mir im Augenblick sehr verlockend. »Klar. Was möchtest du?« Ich war erstaunt darüber, wie gelassen ich klang. Er zögerte, bewegte sich eine Sekunde unruhig auf dem Sofa, dann drückte er die Stirn gegen das Leder der Lehne und atmete ein paarmal tief ein und aus, ehe er endlich sprach. »Im Kühlschrank steht eine kleine Metalldose. Rühr zwei Löffel von der Paste darin in eine Tasse heißes Wasser.« Für einen Moment presste er die Kiefer zusammen, »Und beeil dich! Bitte!«, fügte er dann heiser hinzu.
    Etwas in seinem Tonfall veranlasste mich, genau das zu tun. In der Küche suchte ich zuerst hektisch nach einem geeigneten Topf und verwünschte ihn dafür, dass es hier noch nicht einmal einen einfachen Wasserkocher gab. In einem der Unterschränke fand ich schließlich einen altmodischen Flötenkessel. Rasch spülte ich ihn aus und stellte ihn mit etwas Wasser auf den Herd. Dann machte ich mich auf die Suche nach einer Tasse. Ich entdeckte fünf einsame Exemplare - die noch nicht einmal zusammengehörten - in einem der Oberschränke, nachdem ich zuvor in dem daneben ein wüstes Sammelsurium aus
    allerhöchstens acht oder neun Tellern gefunden hatte. Geschirr war in dieser Küche absolute Mangelware. Einen Löffel spürte ich in einer Schublade neben dem Herd auf. Er teilte sie sich mit zwei weiteren seiner eigenen Art, vier Kaffeelöffeln, fünf Gabeln, ebenso vielen Messern und einem ziemlich scharf aussehenden Tranchiermesser. Nicht ein Stück passte zum anderen. Die Metalldose war das Einzige, was der Kühlschrank beherbergte. Es war eine dieser Edelstahl-Kaffeedosen mit Bügelverschluss, die luftdicht abschlossen. Ihr Inhalt sah aus wie verzuckerter Honig, nur dass die Farbe ein dunkles Rotbraun war - und ungefähr genauso zäh, wie ich feststellte, als ich zwei Löffel davon in die Tasse zu messen versuchte.
    Während ich darauf wartete, dass das Wasser endlich heiß wurde, wanderte ich unruhig in der Küche auf und ab, ohne wirklich sagen zu können warum. Als der Flötenkessel sein durchdringendes Pfeifen hören ließ, machte ich einen erschrockenen Satz. Hastig angelte ich ihn von der Herdplatte - wobei ich mir beinah die Finger verbrannte und goss seinen brodelnden Inhalt in die Tasse. Unter dem heißen Wasser löste sich die rotbraune Masse erstaunlich gut auf. Die dampfende Flüssigkeit, die nach mehrmaligem Umrühren schließlich den Becher füllte, hatte in etwa die Konsistenz von Buttermilch und roch gar nicht mal schlecht.
    Ich trug die Tasse zu Julien zurück. Er musste mich gehört haben, denn er setzte sich auf, als ich den Raum betrat. Seine Hände zitterten ein wenig, als ich sie ihm reichte.
    »Vorsicht, heiß!«, warnte ich.
    Obwohl er nickte, trank er, ohne kaum einmal kurz darübergepustet zu haben. Die Hitze schien er überhaupt nicht zu bemerken. Im Gegenteil hielt er die Tasse mit beiden Händen, als wolle er sich an ihr wärmen. Mit jedem Schluck schien er sich mehr zu entspannen und ich beobachtete mit wachsender Verblüffung, wie er sie, ohne ein einziges Mal abzusetzen, einem Verdurstenden gleich, leerte. Schließlich ließ er sie mit einem leisen Seufzen, das irgendwie zittrig und zugleich erleichtert klang, wieder sinken.

    »Danke«, murmelte er erneut. Die Tasse noch immer in beiden Händen lehnte er sich zurück. Er wirkte auf eine seltsame Art gelöst ... Der Gedanke, der sich mir plötzlich aufdrängte, gefiel mir nicht, er wirkte beinahe wie ein Junkie nach einem Schuss. Ich musterte ihn. Irrte ich mich oder begann das Grau seiner Haut seiner normalen Blässe zu weichen?
    »Was war

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