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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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entschuldige. Ich vergaß: Es ist ja besser für mich, wenn ich nicht in deine Nähe komme«, schnappte ich zurück. »Aber weißt du was: Lass das verdammt noch mal meine Sache sein! Kapiert?« Ich tat einen tiefen Atemzug, um ihm nicht den Hals umzudrehen. »So: Und jetzt sag mir endlich, wohin ich dich bringen soll.«
    Ein paar Sekunden stand er sehr, sehr still. Dann holte er langsam Luft und nickte. »Ins hintere Wohnzimmer«, sagte er voll müder Ergebenheit.
    Wortlos führte ich ihn den Gang hinunter. Julien bewegte sich neben mir, als hätte er einen Stock verschluckt. Er widersprach nicht mehr, als ich ihn nötigte, sich auf das Sofa zu setzen, und sank sogar gegen die Rückenlehne. Flüchtig sah ich mich im Raum um. Alles war noch genauso wie vor zwei Tagen. Sonnenlicht flutete warm durch die Fenster herein. Ich ging von einem zum anderen und schloss die Läden, bis der ganze Raum nur noch in goldenes, schweres Halbdunkel getaucht war. Hinter mir auf dem Sofa stieß Julien ein erleichtertes Seufzen aus und flüsterte »Danke«.
    Doch er spannte sich erneut an, als ich neben ihn trat und mich über ihn beugte. »Wo ist das Bad?«
    »Warum?« Plötzlich wirkte er alarmiert.
    »Weil ich das hier noch einmal feucht machen will.«
    Vorsichtig nahm ich Susans Taschentuch von seinen Augen. Sofort presste er die Lider fester zusammen und legte die Hand darüber.
    »Direkt neben der Haustür ist die Küche ...«
    Ich verstand. Er wollte mich nicht ins Bad lassen. Wahrscheinlich sah es dort ungefähr genauso aus wie in Neals Badezimmer - Chaos hoch zehn. Und im Gegensatz zu Neal hatte Julien keine Mutter, die diesem Chaos in mehr oder wenig regelmäßigen Abständen zu Leibe rückte.
    »Okay. Dann eben die Küche.« Ich ließ ihn allein.
    Obwohl die Einrichtung ein bisschen altmodisch wirkte mit ihren dunklen Holzfronten und knubbeligen Griffen an den Schränken, hatte sie doch etwas angenehm Heimeliges. Unter dem Fenster, das zur Vorderseite des Hauses hinausschaute, befand sich das Spülbecken. Über dem Herd hing ein leeres Gewürzbord und in der Ecke neben dem Kühlschrank stand eine Mikrowelle. Doch auch wenn nirgends Staub lag, schien Julien sich hier nicht besonders häufig aufzuhalten. Unwillkürlich fragte ich mich, ob er überhaupt kochen konnte oder sich nur von Fertigfutter ernährte.
    In einem der Hängeschränke, die der Spüle am nächsten waren, fand ich Geschirrtücher. Ich nahm eines davon heraus, drehte den Wasserhahn auf, hielt Susans Taschentuch unter den kalten Strahl und wrang es ganz leicht aus, ehe ich zu Julien zurückging. Um keine Tropfenspur den ganzen Gang hinunter zu hinterlassen, hielt ich das Geschirrtuch darunter.
    Julien hatte sich auf dem Sofa zur Seite sinken lassen. Sein Kopf lag auf der Armlehne und seine Augen waren wie zuvor unter seinem Arm verborgen. Seine Füße standen allerdings immer noch auf dem Boden. Das Ganze sah ziemlich unbequem aus. Wieder zuckte er zusammen und versteifte sich, als ich neben ihn trat. Doch er ließ es zu, dass ich seinen Arm zur Seite zog und das Taschentuch erneut über seine Augen legte. Aus dem Geschirrtuch improvisierte ich etwas wie einen Verband, dann hob ich seine Beine auf das Sofa und setzte mich neben ihn. So weit es ging, rutschte er gegen die Rückenlehne.
    »Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«, erkundigte ich mich nach einigen Minuten angespannten Schweigens.
    »Wenn ich >Nein< sage, gehst du dann?«, fragte er. Doch seiner Stimme war anzuhören, dass er sich nicht allzu große Hoffnungen auf ein >Ja< meinerseits machte. Ich schüttelte den Kopf und schickte dann ein »Nein«
    hinterher, da er ja nichts sehen konnte.
    Julien drehte das Gesicht zur Rückenlehne hin und das Schweigen kam mit seiner ganzen Wucht zurück. Doch je länger es dauerte, umso schwerer schien es ihm zu fallen, ruhig liegen zu bleiben. Immer wieder ballte er die Fäuste oder presste die Hände flach auf das Leder des Sofas. Mehr und mehr gewann ich den Eindruck, dass er Schmerzen hatte, sie aber vor mir zu verbergen versuchte.
    Ich lehnte mich ein wenig vor und legte die Hand auf seinen Arm. »Soll ich nicht doch ...«, der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken. Julien war in die Höhe und halb zu mir herumgefahren. Seine Finger hatten sich mit überraschender
    Präzision
    schmerzhaft
    um
    mein
    Handgelenk geschlossen und entlockten mir einen leisen Aufschrei. Wir erstarrten beide. Ich vor Schreck und er, weil ihm seine heftige Reaktion anscheinend

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