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Der Kuss Des Daemons

Der Kuss Des Daemons

Titel: Der Kuss Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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ein, dass Ron bei unserem DVD-Abend gesagt hatte, er habe auf Cynthias Verlangen im Netz nach Julien gesucht und etwas über ein Paar Hochseilartisten mit diesem Namen - aus dem vergangenen Jahrhundert - gefunden. Mit einem äußerst mulmigen Gefühl tippte ich »Julien DuCraine« ein und ließ den PC suchen. Ich hielt den Atem an, als er fündig wurde.
    Vor mir auf dem Bildschirm erschien ein alter Artikel aus der New York Herald Tribüne von 1901, in dem der Auftritt der berühmten DuCraine-Brüder angekündigt wurde. Sie sollten in dreißig Metern Höhe - was allein schon für diese Zeit unglaublich genug zu sein schien - zwischen zwei Häusern ihre atemberaubende Show aus Akrobatik, Feuer und Musik aufführen. Darunter war ein Bild, das ziemlich lange brauchte, bis es sich endlich aufgebaut hatte - deshalb hatte Ron wohl auch nichts davon erzählt, da er vermutlich nicht lange genug gewartet hatte, ehe er das Fenster wieder schloss. Es war ein Foto, auf dem zwei junge Männer selbstsicher in die Kamera grinsten. Einen Moment schloss ich die Augen. Als ich sie wieder öffnete, sah ich das Bild unverändert vor mir. Der eine war unverkennbar Julien. Und der andere ... ebenso. Zwillinge! Hastig las ich den Artikel. Offenbar war einer der Brüder - Adrien - dafür bekannt, dass er mit brennenden Fackeln auf dem Hochseil jonglierte, während man den anderen - Julien - nur »den Teufelsgeiger« nannte, weil er mit einer Geige auf das Seil ging und Stück um Stück mit einer Meisterschaft spielte, die man sonst nur auf großen Bühnen fand. Davon ganz abgesehen waren sie auch für ihre anderen Wahnsinnskunststücke berühmt, die sie gemeinsam auf dem Hochseil zeigten. Keiner von beiden arbeitete jemals mit Sicherungsleine oder Balancierstange. Im Bohemien hatte Julien mir gesagt, seine Leute seien Artisten gewesen. Meine Finger waren kalt, als ich weiterscrollte.

    Drama auf dem Hochseil
    Teufelsgeiger stürzt dreißig Meter in die Tiefe Julien DuCraine lebensgefährlich verletzt

    Die Headlines sprangen mich geradezu an. Hastig überflog ich die Zeilen. Offiziell war es ein Unfall gewesen, doch nach dem, was der Reporter schrieb, gab es auch ein Gerücht, das von Sabotage sprach. Eines der Spannseile hatte sich gelöst. Wie, konnte niemand erklären, vor allem da die DuCraine-Brüder gewöhnlich vor ihren Auftritten alle
    Verspannungen,
    Masten
    und
    Verankerungen
    persönlich überprüften. Daraufhin hatte auch das eigentliche Hochseil plötzlich nachgegeben. Der Ruck hatte Julien DuCraine, der zu diesem Zeitpunkt allein auf dem Seil gewesen war, vollkommen unvorbereitet getroffen und ihn das Gleichgewicht gekostet. Zurzeit - so stand da - kämpften die Ärzte noch um sein Leben, hatten aber wenig Hoffnung, dass er seinen Sturz aus dreißig Metern Höhe überleben könnte.
    Meine Hand hatte sich um die Maus geklammert. Ich lockerte meinen Griff.
    Danach kam nur noch ein kurzer Artikel, in dem mitgeteilt wurde, dass Julien DuCraine zwei Tage nach seinem Sturz seinen Verletzungen erlegen war, ohne noch einmal aus dem Koma erwacht zu sein, und dass Adrien DuCraine alle weiteren Veranstaltungen abgesagt hatte. Ich starrte auf den Bildschirm. Das Gefühl der Benommenheit war wieder da. Wie ein Schlafwandler druckte ich die Artikel und das Bild aus. Ich brauchte etwas, an dem ich mich festhalten konnte. Mit den Blättern in der Hand tappte ich hinüber zu meinem Bett und rollte mich um mein Kissen zusammen. Der Wecker auf meinem Nachttisch verkündete, dass es kurz vor drei Uhr früh war. Erst nach Minuten wurde mir bewusst, dass ich aus reiner Gewohnheit den Computer heruntergefahren und das Licht ausgemacht hatte. Der Mond malte ein silbernes Viereck durch das Fenster auf den Teppichboden meines Zimmers. Ich starrte vor mich hin in die Dunkelheit, die Hand auf den Ausdrucken. Julien DuCraine war 1901 in New York vom Hochseil in den Tod gestürzt. Was war danach passiert?
    Wie hatte er zum Vampir werden können? - Dass er einer war, stand für mich inzwischen beinahe außer Frage. Es gab keine andere Erklärung für das, was ich gesehen hatte, und dafür, dass er mehr als hundert Jahre später noch immer so aussah wie 1901. Oder vielleicht doch? Aber er hatte ja selbst davon gesprochen, einen »Unfall« gehabt zu haben. - War damals im Krankenhaus irgendetwas geschehen?
    Den Rest der Nacht verbrachte ich damit, blind ins Leere zu starren, während ich versuchte das Chaos meiner Gedanken irgendwie zur Ruhe zu bringen, bis

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