Der Kuss Des Daemons
Es ist nichts Ungewöhnliches geschehen! hat nicht funktioniert.«
Er starrte mich an und schien tatsächlich eine Minute nicht zu atmen. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst«, sagte er dann kalt.
»Ich meine, dass dir Reißzähne wachsen können und dass du Blut trinkst. Ich meine, dass du 1901 gestorben bist«, allmählich wich das beklommene Gefühl in meinem Magen und ich wurde ärgerlich.
Er presste die Lippen zu einem harten Strich zusammen. Sein Blick ging zu den Ausdrucken in seiner Hand. Offenbar hatte er keine Ahnung gehabt, dass die Artikel und das Bild im Netz standen.
»Was bist du, Julien?«
Er sah mich an, Sekunde um Sekunde. Schließlich fuhr er sich in einer abrupten Bewegung durchs Haar. »Noch einmal: Ich habe keine Ahnung, was du von mir willst.«
Plötzlich war ich dieses Spielchen leid. »Dann werde ich dir sagen, was du bist: Du bist ein Vampir!«
Ganz kurz nur glaubte ich Ärger über sein Gesicht huschen zu sehen, dann erstarrten seine Züge zu einer kühlen, abweisenden Maske. Eine Maske, die mich dazu brachte, mich gegen die Lehne des Sofas zu pressen.
»Du weißt nicht, was du redest.«
Entschieden schüttelte ich den Kopf. »Doch, das weiß
ich. Ich habe gesehen, wie du das Blut dieses Typen getrunken hast. Ich habe gesehen, wie du ihn umgebracht hast. Und ich erinnere mich daran, dass du mich irgendwie zwingen wolltest, all das zu vergessen.«
Die Maske auf Juliens Zügen bröckelte. Darunter kam Ärger zum Vorschein. »Der Kerl wollte dich töten.«
»Er war wie du«, hielt ich dagegen.
»Nein. Er war ein Vampir.«
Also doch! Ich stieß ein kurzes, hartes Lachen aus. »Das bist du auch. Ich habe deine Zähen gesehen und das Blut an deinem Mund. - Durfte ich deshalb keine Fragen stellen?«
In einer offenbar unbewussten Bewegung hatte er die Hand zu seinen Lippen gehoben. Als er merkte, was er tat, ließ er sie wieder fallen. »Ich bin kein Vampir!«, widersprach er mir erneut.
»Was bist du dann?«
Er zögerte, ehe er langsam den Atem einsog. Dann - nach einer schier endlosen Minute - schüttelte er angespannt den Kopf. »Ich bin ein Lamia.« Die Worte klangen, als spräche er sie gegen seinen Willen aus. Erneut fuhr er sich mit dieser abrupten Bewegung durchs Haar.
Ich sah ihn an, schwieg, wartete.
»Dawn ...« Er sagte nur meinen Namen, ehe er hilflos verstummte.
Ich schwieg weiter.
Nach einer halben Ewigkeit schüttelte Julien erneut den Kopf. »Mehr kann ich dir nicht sagen.« Seine Stimme klang kalt und abweisend.
»Warum?«
Er biss die Zähne zusammen.
»Weil jedes weitere Wort, das du über mich und mein Leben erfährst, dich mehr in Gefahr bringt«, antwortete er mir schließlich scharf und warf die Computerausdrucke mit einer geradezu angewiderten Geste von sich. Sie segelten träge zu Boden.
Einen Moment starrte ich ihn verblüfft an, dann stieß
ich ein bitteres Schnauben aus. »Ich weiß bereits, dass du ein Vampir - oder Lamia - bist. Was auch immer es da für einen Unterschied geben mag. Ich habe gesehen, wie du jemanden ermordet hast. Was sollte mich noch mehr in Gefahr bringen können?«
»Du hast keine Ahnung.«
»Dann klär mich auf!«
Er stand so schnell über mir, dass mir noch nicht einmal Zeit zum Schreien blieb - selbst wenn ich in meinem Schrecken daran gedacht hätte. Ich drückte mich fester gegen die Lehne. Seine Hand legte sich um meinen Hals. Sanft und doch unmissverständlich. Die andere stemmte er neben meinem Kopf gegen das Sofaleder und beugte sich ganz dicht zu mir heran.
»Nach dem obersten unserer Gesetze muss ich dich töten, weil du herausgefunden hast, was ich bin.« Etwas in seinem Gesicht hatte sich verändert. Er war noch immer atemberaubend schön, aber jetzt auf eine wilde, tödliche Art. Hinter seinen Lippen schimmerten seine Eckzähne lang und scharf. »Willst du das?«
Ich versuchte zu schlucken und konnte es nicht. Meine Hände zitterten. Ich presste sie gegen die Kissen unter mir. Das Brennen meiner Handflächen half mir, den Kloß aus Angst in meiner Kehle hinunterzuwürgen. Ganz langsam neigte ich den Kopf zur Seite, soweit seine Hand an meinem Hals das zuließ.
Julien starrte mich an. In der nächsten Sekunde hieb er mit der Faust so hart gegen die Lehne neben meinem Kopf, dass es knallte, ließ mich los und trat zurück.
»Verdammt, Dawn. Ich habe in der kurzen Zeit, die ich dich kenne, schon mehr Gesetze meiner Welt gebrochen als in meiner ganzen Existenz.« Wieder fuhr er sich abrupt durchs Haar.
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