Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)
weichen Polstern niederließ, dass der Hänfling und die Halbglatze verschwunden waren. Was für ein Glück!
Rafe nickte nur. Sie hätte ohnehin nichts verstanden, wenn er etwas gesagt hätte. Neugierig ließ sie den Blick durch den schummrig beleuchteten Raum schweifen und musterte die Menschentraube, durch die sich Rafe einen Weg zur Bar bahnte. Das Publikum war überwiegend in ihrem Alter oder ging auf die dreißig zu. Von vereinzelten modischen oder kosmetischen Katastrophen abgesehen, gab es wenig Aufregendes zu entdecken. Die wirklich ausgeflippten Nachtschwärmer bevorzugten offenbar andere Etablissements. Sie begann schon, sich zu langweilen, bevor Rafe mit den Drinks zurückkam.
Er setzte sich zu ihr und legte seinen Arm um sie, doch sie konnte sich nicht richtig entspannen. Sie spürte selbst, dass ihre Haltung verkrampft und ihre Miene frostig war. Warum konnte sie den Abend nicht einfach genießen? Man kam schließlich hierher, um Spaß zu haben.
Ihre Versuche, doch so etwas wie ein Gespräch anzufangen, versandeten im Soundbrei. Es war einfach zu anstrengend, sich die ganze Zeit anzuschreien. Nach einer Weile waren ihre Gläser leer, und Rafe erhob sich, um eine zweite Runde zu besorgen. Da es nichts Spannenderes zu tun gab, beobachtete sie ihn dabei, nahm geschmeichelt wahr, wie einige Frauen ihn anstarrten. Das neue, scheinbar unerschütterliche Selbstbewusstsein verlieh ihm unglaubliche Präsenz. Kein Wunder, dass sie kaum noch an etwas anderes denken konnte, wenn sie sich in seiner Nähe befand.
Als sie Antoines glänzenden Hinterkopf entdeckte, der auf Rafe zuhielt, kippte ihre Stimmung. Die beiden Männer wechselten ein paar Worte, aber die Gesten genügten, um zu verstehen, dass Antoine Rafe aufforderte, mit ihm zu kommen. Sie sprang auf, bereit, ihn zu begleiten, selbst wenn es in irgendein verräuchertes Hinterzimmer gehen sollte, wo sich in Filmen stets die bewaffneten Gangster trafen. Rafael suchte quer durch den Raum ihren Blick, schüttelte den Kopf und bedeutete ihr zu bleiben, wo sie war.
Enttäuscht sah sie ihm nach, wie er mit der Halbglatze in einem weiteren Gang verschwand. Sollte sie ihm trotzdem folgen? Nichts deutete darauf hin, dass er in Schwierigkeiten steckte. Vermutlich vermasselte sie ihm nur die Tour, wenn sie in das Gespräch platzte. Dennoch konnte sie sich nicht überwinden, sich einfach wieder zu setzen, also fasste sie sich ein Herz und ging ihm nach.
Schon als sich der Gang in zwei Treppen gabelte, zeigte sich, dass sie Rafes Spur verloren hatte. Sie entdeckte ihn nirgends zwischen den wenigen Leuten, die sich ausgerechnet auf den Stufen über den Weg gelaufen und bei Smalltalk hängen geblieben waren. Sollte sie nun nach unten oder nach oben gehen? Sie entschied sich für oben, wo eine weitere Loungelandschaft aus gepolsterten Sitzgelegenheiten und kantigen Tischchen durch eine gläserne Wand Aussicht auf die Tanzfläche gewährte. Die zuckenden Lichter blendeten sie einen Moment lang, dann gewöhnten sich ihre Augen daran. Während sie sich durch die im Raum verteilten Leute schlängelte, suchte sie die Gesichter nach Rafe oder einem seiner unangenehmen Freunde ab, doch niemand kam ihr auch nur bekannt vor. Als es sie in die Nähe der Scheibe verschlug, blieb sie stehen, um auch in der Menge um die Tanzenden herum nach ihnen Ausschau zu halten. Dank seiner Größe und des unvermeidlichen weißen T-Shirts musste Rafe herausstechen, falls er sich dort befand. Aber sie entdeckte ihn nirgends.
Mutlos setzte sie ihre Odyssee durch den Club fort. Wohl doch so ein legendär verruchtes Hinterzimmer, versuchte sie sich aufzuheitern. Ohne Erfolg. Sich zu ihm durchzufragen, hätte nur Misstrauen erregt. Warum war sie bloß mitgekommen? Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als sich wieder auf ihren ursprünglichen Platz zu setzen, damit wenigstens Rafe sie fand, wenn er zurückkehrte.
Mit jeder Minute, die verging, fühlte sie sich einsamer und gelangweilter. Sie kam sich vor, als hätte sie jemand bei einer Verabredung versetzt. Sicher dachten das auch schon die Leute, die sie allein in ihrer Ecke sitzen sahen. Trotzig stand sie wieder auf und schlug sich zur Tanzfläche durch. Sollte Rafe eben nach ihr suchen, wenn er sich irgendwann bequemte, wieder aufzutauchen. Hatte er nicht gesagt, sie solle sich amüsieren?
Die Luft im Saal war noch heißer als auf den Gängen und feucht von Schweiß. Sophie stürzte sich ins zappelnde Gedränge, ignorierte, dass sie
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