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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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Nahrung mehr zu sich genommen. Düster dachte sie an die Zeit zurück, als sie selbst verwandelt worden war.
    Es war nicht angenehm, diese frühen Erinnerungen wieder hervorzuholen. Sobald sie von der Möglichkeit erfahren hatte, sich zu verwandeln und unsterblich zu werden, hatte dieser Gedanke sie völlig um den Verstand gebracht. Sie hatte herausfinden müssen, ob an den Geschichten, die man sich an ihren Lagerfeuern erzählte, etwas dran war. Dabei hatte sie lange zuvor gelernt, dass Mythen und Legenden allzu oft ein undurchdringliches Gewirr bildeten. Oft sagten die Geschichten viel mehr über die Person aus, die sie erzählte, als irgendwelche Wahrheiten über die Welt zu vermitteln.
    Rune schwieg, als könnte er spüren, dass sie Zeit zum Nachdenken brauchte. Sie seufzte.
    Weil er wartete, sagte sie schließlich: »Für mich fing alles damit an, dass ich die Geschichten hörte. Du weißt schon, diese Lügengeschichten, die man sich spätabends am flackernden Lagerfeuer erzählt. Vermutlich habe ich eine davon einmal zu oft gehört, über einen Fremden, der völlig ausgehungert und mit hypnotisierendem Blick in ein Lager kam, oder über eine ganze Karawane, die tot und mit Bissspuren übersät aufgefunden wurde. Über eine kleine, merkwürdige Bevölkerungsgruppe, die das Sonnenlicht mied und ewig lebte. Über ein dunkles Wunder mit dem Namen ›der Kuss der Schlange‹, das einen in einen Gott verwandeln konnte. Ich begann, die Erzähler zu fragen, wo sie ihre Geschichten gehört hatten. Um jede Spur so weit wie möglich zu verfolgen, reiste ich quer durch die Wüste. Bei den meisten Geschichten verloren sich die Spuren im Sand, doch eine konnte ich bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen, und das war natürlich alles, was ich brauchte.«
    »Worauf bist du gestoßen?«, fragte Rune, während er sie mit eindringlicher Faszination beobachtete.
    Carling lächelte ihn schief an. »Auf einen Vampyr natürlich. Sie war eine Eremitin, die in einem Winkel einer riesigen Höhle lebte. In der Nähe gab es die Überreste einer Siedlung. Sie erzählte von einer Schlangengöttin, die einst in dieser Höhle gelebt und sie mit dem Kuss des Lebens beehrt haben soll, der zugleich den Tod bedeutete.«
    »Eine Schlangengöttin«, wiederholte Rune, seine Augen verengten sich.
    Sie nickte. »Die Siedlung war von Verehrern dieser Schlangengöttin bewohnt gewesen. Der Frau zufolge war die Siedlung nach und nach ausgestorben, nachdem die Göttin verschwunden war. Die Menschen waren allesamt entweder gestorben oder davongelaufen, und die Vampyre hatten den Ort verlassen. Alle, bis auf diese letzte Priesterin, die in der Hoffnung geblieben war, ihre Göttin würde zurückkehren.«
    Rune dachte an Rhoswen, die von Blutwein lebte. Doch damals, vor so langer Zeit, war Blutwein noch nicht erfunden gewesen. »Wie konnte sie allein überleben?«
    Carling zuckte die Schultern. »Ich nehme an, dass sie das Blut von Ratten und anderen kleinen Wüstensäugern trank. Tierblut hat für uns nicht den gleichen Nährwert wie Menschenblut, sie muss also unterernährt gewesen sein. Alles, was sie sagte, habe ich mit Skepsis aufgenommen, denn sie war ziemlich verrückt. Wären die Gegenstände nicht gewesen, die meine Begleiter in der Siedlung gefunden haben, hätte ich vielleicht die gesamte Geschichte verworfen. Aber da waren die leeren Sarkophage in den Häusern und die seltsamen Schnitzereien in den Höhlenwänden, die ein riesiges Wesen darstellten, halb Mensch, halb Schlange. Dann zeigte mir die Frau, wie sich ihre Zähne verlängerten, wenn sie hungrig wurde, und wie die Sonne sie verbrannte. Und da habe ich angebissen. Rückblickend muss ich selbst wohl ganz schön verrückt gewesen sein, weil ich zugelassen habe, dass sie mich biss. Aber ich war noch jung, und die Jungen sind immer verrückt.«
    Rune hob die Augenbrauen. »Kannst du mir aufzeichnen, wie die Schnitzereien von dieser Kreatur ausgesehen haben?«
    »Nicht aus dem Gedächtnis, nicht nach so langer Zeit«, sagte Carling. Sie sah, wie Rune die Schultern sinken ließ. Dann lächelte sie. »Also war es wohl gut, dass ich damals so viele Skizzen angefertigt habe.«
    Ein Feuer erhellte seinen Blick und breitete sich auf seinem ganzen Gesicht aus. »Das hast du nicht wirklich getan? Oder doch? Wo sind sie?«
    Sie deutete mit dem Kinn in Richtung Flur. »Im anderen Zimmer.«
    »Sie sind hier ?« Er lächelte. »Du bist ein hinterhältiges Biest. Das gefällt mir so an dir.«
    Sie erwiderte

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