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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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da warst du bereits weg.«
    Sie schüttelte ihren Kopf, in dem völlige Leere herrschte.
    Mit scharfem Blick beobachtete er ihren Gesichtsausdruck. »Ich sagte, dass ich herausgefunden hätte, was mich die ganze Zeit gestört hat. Ich fragte, was wäre, wenn Vampyrismus keine Krankheit wäre? Was, wenn es etwas anderes ist?«
    »Etwas anderes?« Ihre Augen weiteten sich.
    »In deinen Aufzeichnungen hältst du die geschichtliche Entwicklung sehr schön fest«, sagte Rune. »Beim Durchlesen sehe ich alles im Schnelldurchlauf vor mir. Aber du warst mittendrin, du hast all das viel langsamer erlebt. Du warst im neunzehnten Jahrhundert an der wissenschaftlichen Diskussion mit genialen Wissenschaftlern beteiligt, den Vorreitern der modernen Medizin. Zu jener Zeit ergab das alles so viel Sinn, dass heute fast jeder diese Prämisse als wahr annimmt. Vampyrismus weist so viele Merkmale eines durch Blut übertragenen Krankheitserregers auf, aber du, Carling, wirkst auf mich vollkommen gesund.«
    »Wie ist das möglich?« Sie versuchte ihm zu folgen. Immer wieder packte er den Boden unter ihren Füßen und riss ihn fort wie ein Zauberkünstler das Tischtuch unter dem guten Geschirr. »Bist du sicher?«
    »Ich bin sicher«, sagte er. »Zumindest bei dem, was mir meine Sinne sagen. Wyr haben hochentwickelte Sinne und Instinkte – und je älter Wyr werden, umso sensibler werden sie. Ältere Wyr können Krankheiten und Infektionen riechen, ebenso verdorbenes Essen und viele Gifte, die andere nicht wahrnehmen können. Ich kann an dir keinen Krankheitsgeruch feststellen. Du hast die typische Nuance in deinem Geruch, die alle Vampyre haben, aber ich stufe es nicht als ungesund ein.«
    »Wenn du recht hast«, sagte sie und starrte ihn an, »basierte meine ganze Arbeit – und die von allen anderen in den letzten hundertdreißig Jahren – auf einer falschen Prämisse.«
    »Ja«, sagte er.
    Keine Krankheit. Wenn er richtig lag, war es kein Wunder, dass sie mit ihrer Forschung auf der Stelle trat. All die Impfstoffe, die sie zu entwickeln versucht hatte, all ihre Experimente waren vergeudete Energie gewesen. Sie stieß ein ärgerliches, hustenähnliches Lachen aus, bevor sie flüsterte: »Die ganze Zeit.«
    Sie hatte so lange gelebt, dass sie vergessen hatte, was für ein kostbares Gut Zeit war – bis jetzt, wo es beinahe aufgebraucht war. Sie drehte sich um und wollte sich auf den Weg zurück zum Landhaus machen.
    Rune holte sie ein und lief neben ihr her. »Ich hatte ein paar Stunden länger Zeit als du, um diese Sache zu verarbeiten«, sagte er ihr. »Und ich weiß noch immer nicht, was ich damit anfangen soll. Ich habe über die Liste von Ärzten nachgedacht, mit denen du gearbeitet hast. Waren auch Wyr darunter?«
    Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Nein. Ich wüsste nicht einmal, dass es überhaupt Wyr-Pathologen gegeben hätte, deren Forschungsthema Vampyrismus war. Menschen und Nachtwesen sind die einzigen, die ernsthaft auf diesem Gebiet forschen. Wir sind die mit dem Eigeninteresse.«
    Er nickte. Der Tag war in den frühen Abend übergegangen, und das schräg einfallende Sonnenlicht fing sich in den goldenen Funken in seinem Haar. »Es kann sein, dass es selbst einem Wyr-Arzt nicht aufgefallen wäre, insbesondere, wenn es sich um einen jüngeren Wyr mit weniger Erfahrung und weniger stark entwickelten Sinnen gehandelt hätte. Schließlich hat Vampyrismus tatsächlich viele Merkmale eines durch Blut übertragenen Erregers. Ich musste mich konkret mit diesem Thema auseinandersetzen und es gründlich durchdenken, ich musste von all den Sackgassen und im Sande verlaufenden Spuren lesen und mich wundern – und dann musste ich dir noch mehrfach sehr nahe kommen, bevor es mir überhaupt auffiel.«
    »Oh Gott, wohin das führen kann«, murmelte sie.
    »Also, wo stehen wir?«, fragte Rune.
    »Wir stehen wieder auf Feld Nummer eins, und uns läuft die Zeit davon«, sagte sie bitter.
    »Nein«, versetzte er und warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Du wehrst dich noch dagegen. Wenn du alle bisherigen Ergebnisse ausradierst, löschst du auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse, einschließlich dieser. Eine negative Antwort ist auch eine Antwort.«
    »Also gut.« Zähneknirschend zwang sie sich zum Denken, obwohl sie sich wie paralysiert fühlte. »Auch wenn es die Forschungen nicht gäbe, hätten wir logisch gefolgert, dass Vampyrismus eine Krankheit sein muss.«
    »Also sind wir nicht wieder auf Feld eins.« Als sie das

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