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Der Kuss des Greifen (German Edition)

Der Kuss des Greifen (German Edition)

Titel: Der Kuss des Greifen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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sein Lächeln. »Ich lerne von einem Experten.«
    Runes Lächeln wurde breiter. »Na los, sitz nicht einfach hier herum.«
    Bevor sie begriff, was er vorhatte, nahm er sie an der Hand und riss sie von ihrem Sitz hoch. Lachend führte sie ihn den kurzen Flur entlang zu dem Teil der Bibliothek, in dem sich die ältesten Schriftrollen befanden. Dort, ganz hinten in einer Ecke, ließ sie sich auf die Knie nieder, um eine Reihe kleiner Fächer durchzusehen. Die Papyrusrollen, die darin gelagert wurden, waren so alt, dass sie nur dank eines Zaubers nicht zu Staub zerfielen.
    Rune beobachtete, wie Carling auf dem Boden kniete und mit dem Finger über die unterste Reihe der Fächer fuhr. Er fand alles an ihrer Arbeit faszinierend, von der wissenschaftlichen Forschung bis hin zu den Vermerken, die sie säuberlich auf den Etiketten über jedem Fach notiert hatte. Er fand es sogar mehr als faszinierend, nämlich liebenswert nerdig, erfrischend effizient und höllisch sexy.
    Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. Natürlich fand er alles an ihr höllisch sexy.
    Murmelnd zog sie eine Rolle heraus. »Hier ist es. Wir müssen vorsichtig sein. Ich habe mich schon lange nicht mehr darum gekümmert, die Schutzzauber zu erneuern. Wie es aussieht, setzt ihnen die Feuchtigkeit allmählich zu.«
    Er kniete sich zu ihr auf den Boden. »Ich bin einfach nur verblüfft, dass so viele überhaupt so lange überdauert haben. Das muss mit deiner Neigung zu tun haben, deine Bibliotheken und Arbeitsräume an ruhigen, abgelegenen Orten anzulegen.«
    »Das hat sicher dazu beigetragen.«
    Vorsichtig fasste er die Enden der Schriftrolle, auf die Carling zeigte, und sah zu, wie diese sie mit schlanken Fingern aufrollte.
    Dann starrte er auf die verblassten, mit unbekannter Tinte gezeichneten Linien und erkannte darin ein Gesicht und eine Gestalt, die er sehr, sehr lange nicht mehr gesehen hatte. Sie hatte vier kurze, muskulöse Beine mit mächtigen gebogenen Krallen und einen langen Schlangenkörper. Ihr Schwanz wand sich in Ringeln, und der Hals verbreiterte sich zu einer Haube, ähnlich der einer Kobra, die ein eindeutig menschenähnliches, weibliches Gesicht umrahmte.
    »Hallo Python«, sagte er sanft. »Du durchgeknallte alte Irre.«

10
    Jetzt war es an Carling, ihn anzustarren. »Es gibt sie wirklich?«
    Er korrigierte sie: »Es gab sie. Unsere Wege haben sich ein paar Mal gekreuzt. Sie ist vor sehr langer Zeit verschwunden. Meiner letzten Information zufolge munkelt man, sie sei gestorben. Sie war auch ein Zwischenwesen.«
    »Was meinst du damit?«
    Rune ließ die alte Skizze los, woraufhin sie sich wieder zusammenrollte. »Es gibt einige wenige Wesen, die ihre Gestalt weder auf der Erde noch in einem Anderland angenommen haben, sondern an Orten, die dazwischen liegen, sozusagen auf der Schwelle. Zum Beispiel in einer Übergangspassage.«
    Carlings zusammengekauerte Haltung betonte die Winkel ihrer Augen und Wangenknochen und verlieh ihr ein katzenhaftes Aussehen. Wie eine Droge durchströmte ihn der Drang, sich auf sie zu stürzen, doch er behielt sich unter Kontrolle. Gerade so.
    »So wie du?«, fragte sie.
    »Ja. Python war auch eines.« Er stand auf – dieser Drang fraß sich noch immer durch seinen Körper und machte ihn kribbelig. »Sie war eines dieser fremdartigen, schwer zu kategorisierenden Wesen. Sie war keine Wyr. Meines Wissens hat sie nie eine menschliche Gestalt ausgebildet, also würden wir sie nach modernen Maßstäben wohl als Dämon einstufen.«
    Carling erhob sich ebenfalls. »Ich habe die Bilder auf den Höhlenwänden mehrfach abgezeichnet und nach meiner Verwandlung versucht, so viel wie möglich über sie herauszufinden. Aber es gab so viele ägyptische Götter und Göttinnen, und die Wahrheit war oft so entstellt, dass es unmöglich war, ihre Ursprünge festzumachen. Viele der Mythen waren nichts als Volksmärchen. Ich habe nie ernsthaft daran geglaubt, dass sie außerhalb der Fantasie der Priester existiert hatte, und schließlich habe ich aufgehört, nach ihr zu suchen.« Neugierig musterte sie Runes Gesicht. »Wie war sie?«
    Er schüttelte den Kopf. »In ihrer Nähe kam man sich vor wie auf einem schlechten LSD -Trip. Nicht dass ich wüsste, wie sich das anfühlt.« Er schenkte ihr ein mildes Lächeln. Carling stieß ein angedeutetes Lachen aus, und er hielt inne, um das leise, heisere Geräusch auszukosten, bevor er fortfuhr.
    »Sie war so voller Rätsel und Psychosen wie die Sphinx. Es würde mich nicht mal

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