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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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Equipment zwischen einer einsamen Straßenlaterne und einem Baum aufgebaut
und sich offenbar vor den grauen Fluten der Seine fotografieren lassen. Das
erklärte auch die ungewöhnlich vielen Spaziergänger, die sich hier gesammelt
hatten. Neugierig fasste sie die Band genauer ins Auge. Vielleicht hatte sie
Berühmtheiten vor sich. In Paris war alles möglich. Sicher hatte sich Rafe
ihren Treffpunkt lauschiger vorgestellt, doch die Männer waren bereits dabei,
ihre Instrumente wieder einzupacken. Da ihr kein Gesicht bekannt vorkam – was
auch an den Sonnenbrillen liegen konnte –, verlor sie das Interesse und
beschloss, selbst ans Wasser hinunterzugehen.
    Auf der Treppe musste sie zwei Musikern – oder waren es Roadies? –
ausweichen, die schwitzend einen großen Verstärker hinaufschleppten. Die
Abendsonne brannte mit erstaunlicher Kraft auf das grobe Pflaster und wurde vom
Fluss auch noch reflektiert. Ein paar Schaulustige lungerten noch in
respektvollem Abstand zur Band herum, andere schlenderten weiter, denn Musik
wehte nur noch vom künstlichen Strandleben am rechten Seineufer herüber. Auf
einer Bank am Fuß der Mauer saß ein Liebespaar und sah sich verträumt in die
Augen.
    Hier haben wir einst gesessen. Es schien
unglaublich lange her zu sein, fern wie ein anderes Leben. Es war ein anderes Leben. Aber Rafe hatte sich
verändert. Bestand jetzt die Chance, wiederzuerlangen, was die tödlichen
Schüsse ihnen genommen hatten?
    Sehnsüchtig blickte sie sich nach ihm um. Einer der schwarz
gekleideten Musiker, die auf Englisch miteinander scherzten, lächelte ihr zu.
In ihrem luftigen Sommerkleid hielt er sie sicher für eine echte Pariserin und
spulte in Gedanken sämtliche Klischees über junge sexy Französinnen ab.
Schmunzelnd umrundete sie die Spitze der Insel, hinter der sich weitere Bänke
verbargen und nicht weit dahinter eine Treppe zur weißen Pont Louis Philippe
hinauf.
    Einen Lidschlag lang blieb ihr die Luft weg, als ihr Blick auf Rafe
fiel, der gerade die Stufen heruntergekommen war. Wie seltsam, dass ihr sein
gutes Aussehen noch immer manchmal den Atem verschlug. Der Effekt hatte sie
schon früher in Stuttgart erstaunt, aber sie hatte es vergessen und wunderte
sich nun erneut. Sein Lächeln war so direkt und liebevoll, dass es wie ein
Lichtstrahl in ihr Herz drang. Die Erinnerung an den Abend zuvor verblasste.
Als er sie in die Arme schloss, fühlte sie sich wieder geborgen und mit allen
ihren Ängsten und Sorgen angenommen, obwohl er die überwältigende Engelenergie
auf irgendeine Art deutlich zurückhielt. Vielleicht hätte er sonst nicht durch
die Straßen gehen können, ohne dass ihm die Menschen nachstarrten.
    »Es tut mir leid, dass ich dir Schmerz zugefügt habe«, flüsterte er
an ihrem Ohr.
    Sie drehte den Kopf, um seine Wange zu küssen, die so glatt und
weich war, dass sie sich unwillkürlich fragte, ob er sie als Engel überhaupt
noch rasieren musste. Mit winzigen Küssen ließ sie die Lippen weiterwandern,
bis sie seinen Mundwinkel fand, doch er wandte ihr das Gesicht nicht zu,
richtete sich stattdessen auf und zog sie dabei enger an sich. Ein wenig
enttäuscht gab sie dem Druck nach, ließ sich von den Händen besänftigen, die
ihren Rücken streichelten. Seufzend gab er sie wieder ein Stück frei, um ihre
Stirn zu küssen. Dann neigte er den Kopf, und sie hob ihm die Lippen entgegen.
Der warme, innige Kuss war viel zu schnell vorüber.
    Bevor ihr etwas Sinnvolles einfiel, hatte er sich schon von ihr
gelöst und ihre Hand ergriffen, um sie zurück zur Spitze der Insel zu führen.
Die Rockband hatte ihre Ausrüstung so gut wie weggeräumt, wickelte Kabel auf
und wuchtete einen letzten Verstärker zur Treppe.
    »Möchtest du dich setzen?«, erkundigte sich Rafe und deutete auf die
steinerne Uferkante neben dem Baum.
    »Ja, gern.« Sie liebte es, im Sommer am Wasser zu sitzen und die
Füße hineinbaumeln zu lassen. Dafür war das Ufer an dieser Stelle ein paar
Handbreit zu hoch, doch allein die Vorstellung genügte ihr. Lächelnd zog sie
die Schuhe aus und ließ sich auf den von der Sonne erhitzten Pflastersteinen
nieder. Dass sie befürchtet hatte, er könne Abstand von ihr halten, fiel ihr
erst auf, als er sich direkt neben sie setzte und den Arm um sie legte.
Erleichtert lehnte sie den Kopf an seine Schulter. »Du sprichst wieder Deutsch
mit mir. Heißt das … Erinnerst du dich wieder an früher?«
    Er drückte sie kurz an sich. »Nein. Ich weiß, dass ich ein
Erdenleben hatte –

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