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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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zurück«, forderte
Gournay, der sich mittlerweile wieder halb auf den Tisch gesetzt hatte und
immer noch hoch über ihr aufragte, ohne dafür stehen zu müssen. Zuerst hatte
sie sich nichts dabei gedacht, doch allmählich glaubte sie, dass er es bewusst
tat, um sie einzuschüchtern.
    Wie lang soll dieses Verhör denn noch dauern? Ihre Gedanken kamen ihr jetzt schon zäh wie nach einer durchwachten Nacht vor.
Die permanente Anstrengung, nur nichts Falsches zu sagen, saugte ihr die Kraft
aus.
    »Sie sagen, dass Sie ihn vor zwei Wochen kennengelernt haben. Wo war
das? Und wie wurden Sie miteinander bekannt?«
    Wieder so eine Frage, die ihn nichts anging. Mühsam unterdrückte sie
die aufsteigende Gereiztheit. »Wir sind uns nachts im Quartier Latin über den
Weg gelaufen.«
    »Ach.« Der Commissaire gab den Verblüfften, aber sie nahm es ihm
nicht ab. »Schließen Sie immer gleich Freundschaft mit Männern, die Ihnen
nachts auf der Straße begegnen?«
    »Nur, wenn sie mich vor zwielichtigen Gestalten retten.« Mehr würde
sie dazu nicht sagen. Dass sie ihrem verstorbenen Verlobten nachgelaufen war,
hätte er sowieso nicht geglaubt. Oder sie für geistig verwirrt gehalten.
    Zu ihrer Überraschung schien es ihn nicht zu interessieren. »Hat er
Ihnen erzählt, dass er oft nachts spazieren geht?«
    »Ja.«
    »Und auch warum?«
    »Äh, nein.« Hatte er das jemals explizit gesagt? Ihr war klar
geworden, dass er die Dämonen und gefallenen Engel, die Paktierer und
Satanisten dieser Stadt im Auge behielt, aber soweit sie sich entsann, hatte er
es nie ausgesprochen. Doch selbst wenn, würde sie es diesem Mann niemals sagen.
Die Einweisung in eine Psychiatrie hätte Jean gerade noch gefehlt.
    »Gab es Momente, in denen Sie den Verdacht hatten, er könnte in
Verbrechen verwickelt sein?«
    Sie zögerte, kratzte sich an der Schläfe und hoffte, dass er es als
Nachdenklichkeit interpretierte. Natürlich hatte sie im ersten Moment geglaubt,
er sei ein Verbrecher. Immerhin hatte er sie mit Gewalt festgehalten und in
einen Hauseingang gezerrt. Aber es hatte nur ihrem Schutz gedient und danach …
»Nein. Dazu gab es keinen Anlass.«
    »Mhm.« Gournay zog ein großes, schwarz-weißes Foto aus den
Unterlagen in seiner Hand hervor. »Kennen Sie diesen Mann?« Er klatschte das
Bild vor ihr auf den Tisch.
    Sophie hielt den Atem an. Was sollte sie sagen? Wenn sie es ansah,
wurde ihr noch immer flau im Magen. Sie merkte, dass sie mit großen Augen zu
den Polizisten aufsah.
    »Sie haben ihn schon mal gesehen. Wagen
Sie nicht, es zu leugnen!«, donnerte Gournay. »Woher kennen Sie ihn?«
    »Ich kenne ihn überhaupt nicht! Jean hat mir das Foto gezeigt, um
mich vor … diesen Leuten zu warnen.«
    »Hat er Ihnen auch gesagt, dass er am Tatort verhaftet wurde? Dass
er das Bild an der frischen Leiche selbst gemacht hat?«
    Sie schluckte. »Nein. Das hat er nicht.« Hätte sie ihn danach fragen
sollen, wo es herstammte? Das war ihr in jenem erschreckenden Augenblick völlig
gleichgültig gewesen.
    »Wissen Sie auch, dass dieser Mann Mitglied in Caradecs Zirkel war?«
    »Nein, ich …« Ihre Gedanken überschlugen sich, aber sie musste
antworten, sonst nahm er an, dass sie etwas verbarg. »Den Namen Caradec habe
ich im Mausoleum zum ersten Mal gehört.«
    »Fällt Ihnen irgendetwas ein, das mich davon abhalten kann zu
glauben, dass Méric einen blutigen Feldzug gegen diesen Zirkel führt?«
    Ratlos neigte sie den Kopf und barg das Gesicht einen Atemzug lang
in den Händen. Tod durch zahllose Schnitte. Kafziel. Der
Commissaire wartet. Sie sah wieder auf. »Ich weiß nur, dass er so etwas
niemals tun würde.«
    Aber Kafziel. Und er war hinter ihr her.
Wer würde sein nächstes Opfer sein?

    Erschöpft schleppte sich Sophie die Stufen nach oben, zog
sich mehr am Geländer hinauf, als dass ihre Beine schoben. Wie viele Stunden
hatte sie am Quai des Orfèvres verbracht? Die Rechenaufgabe überforderte ihr
ausgelaugtes Gehirn. Sie wollte nur noch ins Bett und nichts mehr von der Welt
sehen.
    Rafe. Rafe war der Einzige, den sie jetzt
gern bei sich gehabt hätte. Zum Glück war er ein Engel und musste sich keine
Sorgen um Gournays wilde Theorien machen, denn die letzte Schlussfolgerung des
Commissaire hatte ihn zum Hauptverdächtigen gemacht. Da Jean von Zeugen
entlastet worden war, was die unmittelbare Ausführung des Mordes in der Rue des
Barres anbelangte, lag es aus Sicht der B. C. tatsächlich
nah, anzunehmen, dass er auch in diesem Fall mit Rafe

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