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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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Dämpfer, einen schalen Beigeschmack der Zurückweisung.
    »Träumst du mit offenen Augen?«, erkundigte sich Madame Guimard halb
besorgt, halb belustigt.
    Sophie hatte nicht bemerkt, wie die Zutaten für eine Vinaigrette in
die Glasschüssel gekommen waren, in der ihre Vermieterin gerade rührte. Das
Schaben des Löffels und der Geruch von Essig und Pfeffer breiteten sich in der
Küche aus. »Äh. Ja.« Ihr wurde bewusst, dass sie den zweiten Brief noch in der
Hand hielt, und sie faltete das Schreiben auf. »Steht ja doch nichts Wichtiges
drin. Nur, dass sie meine Unterlagen dankend erhalten haben und sich vor
September außerstande sehen, sie zu prüfen.«
    »Das ist besser als eine Absage.«
    »Ja, sicher. Wir werden sehen.« Sie stopfte auch dieses Schreiben in
den Umschlag zurück und merkte plötzlich, dass sie herumstand, während Madame
Guimard für ihr Essen sorgte. »Excusez-moi, Madame, ich lasse mich die ganze
Zeit bedienen. Kann ich etwas helfen?«
    »Oh, wir essen doch nur eine Kleinigkeit. Auf mich wartet ja heute
Abend mein Tisch im Procope . Aber du kannst diesen
Tisch hier decken, wenn du willst.«
    Sie nickte und holte Geschirr und Besteck aus dem Küchenschrank.
Sollte sie das heikle Thema ansprechen, wenn sie Rafe das nächste Mal traf?
Oder würde er dann von ihr enttäuscht sein? Andererseits las er ihre Gedanken.
Musste er nicht längst wissen, was in ihr vorging?
    Abwesend füllte sie Oliven in eine kleine Schale und Cherrytomaten
in eine andere. Das Sägen des Brotmessers durch die Baguettekruste verriet ihr,
was Madame Guimard tat, ohne dass sie hinsehen musste. Es
ist wohl doch nicht so viel einfacher, einen Engel zu lieben als einen Dämon. Vielleicht hatte sie sich zu große Hoffnungen gemacht, was ein …
    »Aïe!«
    Der Aufschrei ließ sie herumfahren. Baguette und Messer fielen auf
den Tisch. Madame Guimard starrte auf ihre Hand. Blut rann darüber, quoll aus
einer tiefen Kluft im Zeigefinger und tropfte in den Brotkorb hinab. Sophie
glaubte, den Knochen weiß in der Wunde schimmern zu sehen. Übelkeit wallte in
ihr auf. Das ist meine Schuld! Meine Schuld!

    Seit Rafe sie vor der Überwachung gewarnt hatte, glaubte
sie, die fremden Blicke auf sich zu spüren, sobald sie das Haus verließ.
Gestern, als sie mit Madame Guimard zum Arzt geeilt war, hatte es sie nicht
gestört, weil die Sorge und das schlechte Gewissen alles andere in den
Hintergrund gedrängt hatten. Zum Glück hatte sich der Schnitt als nicht ganz so
dramatisch erwiesen, wie er im ersten Augenblick ausgesehen hatte. Der Knochen
war unversehrt, der Blutverlust gering. Trotzdem machte sie sich Vorwürfe.
Madame Guimard hatte sich ihretwegen so erschreckt und Schmerzen erlitten und
musste nun mit einem Verband zurechtkommen, der bei allen täglichen
Verrichtungen ebenso hinderlich war wie beim Schneidern. Und wer konnte
vorhersehen, was als Nächstes geschehen würde?
    Kafziel hatte die Schlinge um ihren Hals enger gezogen. Rafe und sie
mussten ihm den Grund für seine Gier auf ihr Opfer nehmen, indem sie diesen
Schlüssel fanden und unerreichbar für ihn machten, sonst würde früher oder später
etwas Schlimmes passieren. Doch dazu war es nötig, erst einmal zu wissen, was
es mit diesem Schlüssel überhaupt auf sich hatte.
    Von Jean abgesehen war ihr nur eine Person eingefallen, die ihr
vielleicht weiterhelfen konnte. Ob es aber eine so gute Idee war, die Polizei
zum L’Occultisme zu führen? Auf dem Weg dorthin
stellte sie sich die Frage noch immer. Die Delamairs wollten keinen Ärger.
Keine Spur sollte von Jean zu ihnen führen. Doch wie sollte sie sonst mit Alex
Kontakt aufnehmen? Die Verbindungsdaten ihres Handys waren nicht vor Zugriff
sicher, und ein Anruf wäre noch viel verdächtiger gewesen. Am besten schien
ihr, in den Laden zu gehen, als sei sie eine gewöhnliche Kundin. Da L’Occultisme die einzige auf das Thema spezialisierte
Buchhandlung der Gegend war, konnte niemand daran zweifeln, dass auch Jean dort
bereits Bücher gekauft hatte. Deshalb musste die B. C. aber nicht sofort engere Verbindungen zu den Besitzern unterstellen. Hoffte
sie.
    Wieder verkniff sie sich, nach etwaigen Verfolgern auszuspähen. Eine
harmlose Irre auf dem Weg zum Irrlehrenverkäufer, etwas anderes sollten die
Ermittler nicht sehen. In ihrer Tasche verbargen sich die meisten der Bücher,
die Alex ihr geliehen hatte. Wenn sie schon zu ihm ging, konnte sie ihm diesen
Unfug auch wieder mitbringen, denn sie hatte nichts darin gefunden,

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