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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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schloss, seine Hände nachdrücklicher
über ihren Rücken strichen, durchströmte sie ein solches Glücksgefühl, dass sie
seufzte. Widerstrebend gab sie ihn wieder frei, doch er löste sich nur von ihr,
um mit den Fingern die Kurven ihrer Brüste nachzufahren und sie dabei mit einer
Ernsthaftigkeit zu betrachten, die in seltsamem Gegensatz zur Zartheit seiner
Berührung stand. Er streichelte sie, ließ die Hände über ihre Taille hinab- und
wieder hinaufwandern. Keine Eile lag darin, kein Nachdruck. Seine Finger
bewegten sich nicht mit der Fiebrigkeit, mit der die ihren eben noch wie
suchend über seine Schultern gefahren waren. Begehrte er sie nach so langer
Zeit denn überhaupt nicht, auch wenn er sie nicht …
    O mein Gott, was tue ich hier eigentlich! Ihr war, als hätte sich ein Schwall kalten Wassers über sie ergossen. Sie wich
zurück, und er hielt sie nicht auf.
    »Es tut mir leid, dass ich dich nicht glücklich machen kann.
Jedenfalls nicht auf diese Weise.« Er lächelte.
    Es war ein bedauerndes Lächeln, aber sie empfand es dennoch als
Hohn. Ich habe es nicht besser verdient. Was hatte
sie nur geglaubt? Im Buch Henoch stand alles vorgezeichnet. Er durfte sie niemals
auf diese Art lieben, sonst würde er wieder fallen – und alles begann von vorn.

    Obwohl der Himmel milchig war und der Dunstschleier das
Licht hätte dämpfen sollen, hatte Sophie auf dem Weg zur Métro den Eindruck,
die Sonne gleiße besonders stechend auf sie herab. Die Strahlen brannten auf
der Haut – und das am frühen Vormittag. Freitag der 13 .
versprach mit einem Gewitter zu enden, wenn diese Hitze anhielt. Sie wischte
sich den Schweiß von der Stirn und tauchte dankbar in den Schatten einer neuen
Häuserzeile ein. Eigentlich hielt sie sich nicht für abergläubisch, doch sie
musste sich eingestehen, dass ihr mulmig geworden war, als sie das Datum auf
Madame Guimards Küchenkalender entdeckt hatte. Wenn es Dämonen gab, war
womöglich auch an anderen Legenden etwas Wahres.
    Das ist totaler Unfug! Es ist nur die Angst vor
Kafziel, die mich nervös macht. Instinktiv zog sie die Tasche enger an
sich, in der sie das Weihwasser und den Zettel mit dem Exorzismus bei sich
trug. Ich habe ihn einmal besiegt, und ich werde ihn wieder
besiegen! Sie verstand noch immer nicht, weshalb seine Klinge das Papier
geschnitten hatte, sie jedoch unversehrt geblieben war. Dasselbe Messer, mit
dem er sie zuvor beinahe umgebracht hatte, auch wenn davon nun nicht mehr als
eine haarfeine rote Narbe zu sehen war. Irgendetwas musste in jenem Augenblick
mit ihr geschehen sein. Sie war nicht anmaßend genug, um zu glauben, dass Gott
an ihr ein Wunder vollbracht haben könnte. Dazu hätte sie auch erst einmal
sicher sein müssen, dass es einen Gott gab. Aber wenn sie genauer darüber
nachdachte, war es nur ein weiteres Indiz dafür, dass sie immer tiefer in eine
Welt geriet, die jenseits des Gewohnten lag.
    Bilde ich mir diese Dinge vielleicht nur ein? Panik stieg in ihr auf. Was wäre, wenn sie übergeschnappt war und alles nur in
ihrer Phantasie existierte, weil sie sich Rafe so sehr zurückgewünscht hatte?
Abrupt blieb sie stehen und sah sich nach jemandem um, der sie observieren
mochte, doch niemand schenkte ihr mehr als beiläufige Beachtung.
    Natürlich nicht. Es ist ihr Job, nicht bemerkt zu
werden. Legten sich Verrückte nicht auch stets sehr plausible
Erklärungen zurecht, warum ihre Hirngespinste real waren? Wenn sie die
Ermittler wirklich auf den Plan rufen wollte, musste sie etwas Kriminelles tun,
das sie nicht ignorieren konnten. Doch wenn sie das tat, würde Gournay sie
wahrscheinlich endgültig einsperren, was sie weder wollte noch durfte, denn sie
mussten endlich diesen Schlüssel finden. Na wunderbar! Falls sie sich tatsächlich alles nur einbildete, hatte sie sich erfolgreich in
ihrer eigenen Logik gefangen. Und nun würde sie auch noch mit einem
unsichtbaren Rafe – nein, Raphael – in den Louvre
gehen.
    Sogleich stand ihr die Szene der vergangenen Nacht wieder vor Augen.
Raphael hatte betont, dass es seine Schuld sei, aber sie hatte ihn nicht
ausreden lassen und rasch die Pyjamajacke übergezogen, um eine Barriere
zwischen ihnen zu errichten. In jenem Augenblick war ihr bewusst geworden, dass
sie endlich aufhören musste, Rafe in diesem Engel zu sehen. Sosehr er sich auch
wieder wie ihr Rafael benehmen mochte, er war kein Mensch mehr, sondern ein
Wesen aus einer anderen Sphäre geworden. Die Erlebnisse und Erinnerungen, die
Rafe zu

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